Sonntag, 28. November 2010

Die Abschaffung des Advents

Es gibt keine Adventszeit mehr. Alles, was es noch gibt, ist die Vorweihnachtszeit, und die beginnt bekanntlich spätestens irgendwann im September, wenn in den Supermarktregalen die ersten Schokoladennikoläuse auftauchen. Mit Advent hat das aber nichts zu tun. An die Stelle einer besinnlichen, an das erste Kommen Christi erinnernden, sein zweites Kommen erwartenden und darum zu Reue und Buße mahnenden Zeit im Kirchennjahr ist eine Phase im kommerziellen Zyklus geworden. Kitsch und Konsum bestimmen den Stil. Fernab mehr oder minder alter religiöser Überlieferung hat sich ein eigene Mythologie herausgebildet, mit Elchen und Elfen, Weihnachtsmann und Sternenglanz, Schnee und Tannengrün. Eigentlich war die Adventszeit einmal eine Fastenzeit, ihre Farbe darum Violett (und Rosa am vorletzten Sonntag). Heute dominieren Rot und Grün, dazu Gold. So wird der Austausch auch farblich markiert.
Es geht allerdings immer noch darum, sich auf etwas vorzubereiten. Der 1839 erfundene Adventkranz mit seinen Kerzen (ursprünglich vier für die Sonntage und 19 für die Wochentage) und der noch jüngere Adventkalender mit seinen 24 Türchen (oder Säckchen oder dergleichen) haben nur den Sinn, die Zeit bis Weihnachten abzählbar zu machen. Eine Zeit, die heute für die meisten Menschen geistlich ebenso leer wie konsumistisch erfüllt ist. Mit dem ausstehenden Weihnachten assoziiert man wohl meist Sentimentales — und verdrängt dabei Feierstagsstreit und Stress —, mit der Vorweihnachtszeit aber Hektik und Rummel. Nicht nur, dass Geschenke gekauft werden müssen, auch anderes, wie etwa die Weihnachtsmärkte, die eben nur noch selten Adventmärkte heißen, fordert zum Geldausgeben auf.
Nach dem 24. Dezember ist es mit dem ganzen Zauber schlagartig vorbei. Jetzt, wo das Fest eigentlich erst beginnt und die Weihnachtszeit zu feiern wäre, will verständlicherweise niemand mehr Christbaumschmuck sehen und Weihnachtslieder hören. Zum Glück gibt’s Silvester, ein rein säkulares, durch nichts Geistliches belastetes Fest, das mit seiner Ausgelassenheit, mit Papierschlangen, Konfetti, Sekt und Tanzmusik wohl einen Vorgriff auf den Karneval darstellt. Das darauffolgende Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar — in den östlichen Kirchen das eigentliche „Weihnachten“ — fällt nun allenfalls noch dadurch auf, dass mancherorts Sternsinger (und Sternsingerinnen!) durch die Gegend ziehen. Weihnachten aber, Feier der Geburt Christi, ist längst abgetan. Das ist nur konsequent. Wenn es keinen Weg mehr gibt, braucht es auch kein Ziel mehr zu geben, ohne Advent also auch kein Weihnachten.
Ach du liebe Zeit, was wird da die Wiederkunft Christi für eine Überraschung sein! Maranatha.

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