Dienstag, 1. März 2011

Einer geht doch

Gänsefüßchen und Fußnoten: Um solche Sorgen kann sich Deutschland vom Rest der Welt durchaus beneiden lassen. Aber nun dürfte das wochenlange Gezerre und Gezetere um eine abgeschriebene Abschlussarbeit ja wohl endlich ein Ende haben, denn Baron Guttenberg ist als Verteidigungsminister zurückgetreten.
Damit verliert das Land einen einen Politiker, der intelligent, dynamisch und rhetorisch begabt erschien und erstaunlicherweise trotzdem Popularität genoss. Dass ich selbst  mit dem Mann politisch nicht auf einer Linie liege, brauche ich kaum eigens zu betonen. Gleichwohl kann ich seine ungewöhnliche Begabtheit respektieren, deren Erscheinungsbild umso außergewöhnlicher ist, wenn man sie mit dem Auftreten des übrigen deutschen politischen Personals vergleicht. Neben den Merkels und Westerwelles, den Brüderles und Schavans, den Mappüssen und Scholzens dieser Republik musste Guttenberg tatsächlich als Lichtgestalt erscheinen. (Von den zu Politikerdarstellern umfunktionierten Kleingartenzwergen alpenländischer Provenienz gar nicht zu reden.)
Dass die Öffentlichkeit es ihm weitgehend nicht übel nahm, dass er reden kann und ein sicheres Auftreten hat, war wie gesagt erstaunlich. (Das mit dem angeblichen glamour habe ich übrigens nie verstanden. Ich finde nicht einmal, dass der Mann gut aussieht. Aber de gustibus …) Doch wer in Deutschland bei den einen beliebt ist, braucht sich um die Häme der anderen nicht zu sorgen. Ich erinnere mich des Auftrittes eine Kabarettisten, der in einer Nummer nichts anders tat, als sämtliche Vornamen Guttenbergs aufzuzählen und ihn damit für erledigt zu erklären. Primitiver kann Gehässigkeit nicht sein. Als ob der Baron etwas für seinen Taufschein könnte!
Überhaupt, der stets erwähnte „Adel“! Dass dessen gesetzliche Abschaffung nach dem ersten Weltkrieg nichts als eine spießbürgerliche Pöbelei war, zeigt sich daran, dass, wenn es den Bürgerlichen gefällt (und es gefällt ihnen fast immer), der rechtlich gar nicht mehr bestehende Adel doch immer wieder aufs Tapet kommt. Für die, die vormalige Adelstitel und Prädikate als „Namensbestandteile“ auf den Lebensweg mitbekommen haben, scheint es kein Recht zu geben, als Gleiche unter Gleichen behandelt zu werden. Guttenberg kann dafür nichts, dass seine Vorfahren Freiherren waren und er selbst den „Freiherrn“ im Namen hat. Darauf herumzureiten, wie es Land auf, Land ab, während seiner sämtlichen Amtszeiten als CSU-Generalsekretär, als Wirtschafts- und als Verteidigungsminister geschah, ist unter jedem erträglichen Niveau politischer Auseinandersetzung.
Und die Fußnoten und Gänsefüßchen, über die der sogenannte Lügenbaron zuletzt doch noch gestolpert ist? Banalitäten, die überhaupt nichts mit seiner Politik nichts zu tun haben. Für diese hätte man ihn kritisieren sollen, nicht für den akademischen Quatsch. Mutti darf bleiben, aber Gutti muss gehen? Das verstehe, wer will. Ich verstehe es nicht und billige es nicht.
Gewiss, Abschreiben ist kein Kavaliersdelikt. Obwohl Millionen von Schülern das ganz anders sehen. Doch ist mit dem Abgang des Plagiators denn nun der gute Ruf des Wissenschaftsbetriebes wirklich gerettet? Meiner Meinung nach haben sich die Zigtausenden von Doktoranden und Doktorierten, die mit einem Offenen Brief an die Kanzlerin gegen das Bagatellisieren des Plagiierens protestiert haben, mit Verlaub, recht lächerlich gemacht. Wer außer Dissertanten und Dissertierten nimmt den Dissertationen heutzutage noch ernst? Die Abertausende von akademischen Arbeiten, die Jahr für Jahr produziert werden, sind fast ausnahmslos ohne jede Bedeutung. Dass sich die Protestierer an die Relevanz ihrer Titelchen klammern, ist verständlich, bilden sie doch einen Teil des bisschen symbolischen Kapitals, dessen sie für ihre in der Regel höchst bescheidenen Karrieren so dringend bedürfen. Aber für den Rest der Gesellschaft geht es da bloß um irgendeine Formalität, die halt abzuhaken ist, weil es nun einmal irgendwie dazugehört.
Guttenbergs Geschummel (und Muttis Augen-zu-und-Durch-Politik) soll das Ansehen der Wissenschaft beschädigt haben. Aber ist die Juristerei überhaupt eine Wissenschaft?  Und grundsätzlicher gefragt: Sind die universitären Ausbildungsgänge überhaupt noch in einem substanziellen Sinne wissenschaftlich? Ist die Wissenschaft von heute überhaupt noch etwas, was in jedem Fall Respekt verdient, einfach weil sie ihn beansprucht? Das sind Fragen, die vom Umgang der Institutionen mit der Guttenberg-Affäre verdeckt und durch das nunmehrige Ende der Affäre keineswegs beantwortet werden.
Es ist so oder so kein guter Tag, an dem Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg als Bundesminister der Verteidigung zurückgetreten ist. Deutschland hat damit kein einziges seiner Probleme gelöst. Es hat sich aber eines talentierten Politikers entledigt. Kommt es zu keinem come-back, wird man ihn wohl an die Wirtschaft verloren haben. Ob das besser ist?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen