Mittwoch, 21. Dezember 2011

Aufgeschnappt (bei einem Wulff-Ratgeber)

Wenn ich er wär, dann würd einfach ganz schlicht sagen (...): „Ich bin ein armer Sünder, habe versagt, hab mich bestechen lassen. (...) Seid nicht so wie ich.“ (...) Ich stell mir das mal selber vor, wenn man mir sowas Unmögliches darlegen würde, da würd ich sagen, da müsst ich meinen Hirtenstab abgeben, da müsst ich resignieren.

S.Em. Joachim Kardinal Meisner (Erzbischof von Köln)

Sonntag, 18. Dezember 2011

Vermischte Meldungen (5)

Im Ernst? Die Glaubwürdigkeit Christian Wulffs leide? Das Ansehen des höchsten Amtes im Staat werde beschädigt? Na klar, weil ja Korruption, Vetternwirtschaft und Vermischungen von öffentlichen und privaten Interessen in der deutschen Politik völlig unüblich sind. Der jetzige Bundespräsident hat als Ministerpräsident die Wahrheit zu seinen Gunsten zurechtgebogen. Aha. Was wird als nächstes gemeldet? Dass Sigmar Gabriel Übergewicht hat?

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In Österreich waren, unlängst veröffentlichter amtlicher Statistik zufolge, im Jahr 2010 rund zwölf Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet, etwa eine halbe Million Menschen lebte in Armut. Als „ausgrenzungsgefährdet“ galten sogar 17 Prozent der Bevölkerung, das bedeutet, dass diese Menschen entweder armutsgefährdet oder „erheblich materiell depriviert sind“ oder einem Haushalte mit sehr geringer „Erwerbsintensität“ leben. (Als erheblich materiell depriviert gelten jene Haushalte, auf die zumindest vier der folgenden neun Merkmale zutreffen: Der Haushalt hat Zahlungsrückstände bei Miete, Strom oder Kreditraten; der Haushalt kann keine unerwarteten Ausgaben tätigen; der Haushalt kann sich nicht leisten: Heizen, ausgewogene Ernährung, Urlaub, Auto, Waschmaschine, Fernseher, Festnetz- oder Mobiltelephon. Als Erwerbslosenhaushalte werden Haushalte bezeichnet, in denen die „Vollzeiterwerbsintensität“ der Haushaltsmitglieder im Erwerbsalter höchstens ein Fünftel des gesamten „Erwerbspotentials“ beträgt.) — Ein Rücktritt der verantwortlichen Bundesregierung wurde übrigens bisher nicht vermeldet.

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„Ich kann das verantworten“, sagt Herr Wulff. Wenn Politiker (und andere Machthaber) von „Verantwortung“ reden, meinen sie offenkundig geradewegs das Gegenteil. „Ich übernehme dafür die Verantwortung“ heißt übersetzt: Ihr könnt mich alle mal, ich mache, was mir passt. So auch hier. Wenn der Versuch, sich mit fragwürdigen Schutzbehauptungen aus einer unerquicklichen Affäre zu ziehen, bedeutet, sich (wem gegenüber?) zu verantworten, was wäre denn dann eigentlich Herrn W. zufolge Verantwortungslosigkeit? Die Wahrheit sagen? Zu einem Fehler stehen? Zurücktreten? Das gälte ihm wohl als unverantwortlich ...

Samstag, 10. Dezember 2011

Aufgeschnappt (bei einem unlängst Zitierten)

Wenn die Rechten nicht lesen, sind sie zum Fürchten, wenn sie schreiben — zum Grausen.
Dirck Linck (Literaturwissenschaftler)

Freitag, 9. Dezember 2011

Armes Russland

Also das gehört sich ja nun wirklich nicht. Erst sehr plump die Wahl fälschen und dann, wenn man dabei erwischt wird (und wie denn nicht), die Demonstranten verprügeln und wegsperren und das Ausland der Aufhetzung beschuldigen. Ach, aber das Schlimmste ist ja gar nicht, dass Russland schon jetzt unter dem Titel „Diktatur des Gesetzes“ (Putin) ein Willkürstaat ist, der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verhöhnt, sondern dass es so weiter gehen und noch ärger werden wird. Die bröckelnde Popularität, die verscherzte Legitimierung und der wachsende Unmut werden dazu führen, dass das Regime immer gereizter werden wird und im Zweifelsfall, der immer öfter sein wird, wild um sich schlägt.
Übrigens soll kein Dummschwätzer es sich jetzt wieder einfallen lassen, aus pseudohistorisch-pseudometaphysischen Phantasien abzuleiten, das alles müsse so sein. Der Russe als solcher sei weder fähig noch willig zur Demokratie und brauche schlechterdings die Knute? Rassistischer Unfug. Die Leute in Russland sind nicht einfältiger als anderswo. Die könnten auch Demokratie und Rechtsstaat, wenn man sie ließe. Fürs Erste aber lässt man sie eben nicht.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Samstag, 3. Dezember 2011

Lesehilfe von links (nicht nur für rechts)

Der Publizist Martin Böcker hat vor zwei Tagen unter dem Titel „Kempferisches …“ in seinem (anscheinend bloß zu diesem Zweck reaktivierten) Blog www.dasgespraech.de dazu aufgefordert, man möge Bescheid geben, wenn man meinen Text „Authentische Aversionen von rechts“ zu Ende gelesen habe, in dem ich mich mit dem Blog-Beitrag „Systemkrise: Perfide Politisierung der Sexualität“ von Larsen Kempf auseinandersetze. Böcker nennt bezeichnet meine Ausführungen als „so verdammt lang, so elaboriert, so unglaublich … irgendwas“, was ihn anscheinend bisher davon abhielt, sie zu Ende lesen. Anscheinend ist er dazu erst gewillt, wenn andere es vor ihm tun und ihm dann mitteilen, wie’s war.
Ob das klappen wird? „Die Kulturtechnik des Schreibens ist in diesen Kreisen nicht wirklich verbreitet“, hat der Literaturwissenschaftler Dirck Linck unlängst konstatiert. Das war zwar auf Neonazis bezogen, gilt aber vielleicht auch für andere Rechte. Böcker könnte also unter Umständen lange oder gar vergeblich darauf warten müssen, dass jemand von seinen Gesinnungsfreunden ihm die Lektürearbeit abnimmt.
Weil ich aber ein netter Mensch bin, biete ich hier meinerseits eine thesenhafte Zusammenfassung meines unglaublich langen Elaborates an, die auch den Kindern der Generation SMS entgegenkommen dürfte.
1. Larsen Kempf hat keine Ahnung, wovon er redet. Der Beitrag ist schlecht geschrieben und, sofern das aus den zum Teil reichlich verquasten Formulierungen rekonstruiert werden kann, schlecht durchdacht.
2. Was von der homosexuellen Emanzipationsbewegung noch übrig ist und bei den CSD-Paraden in die Öffentlichkeit tritt, ist entgegen Kempfs Phantasien längst kein Bürgerschreck mehr und programmatisch alles andere als antibürgerlich. (Wofür die Forderung nach Heirat und Familie ein schlagender Beweis ist,)
3. Wenn Homosexuelle nicht diskriminiert werden und praktizierte Homosexualität nicht unter Strafe steht, gefährdet das, anders als Kempf sich das vorstellt, in keiner Weise die Fortpflanzung. (Für den Rückgang der Geburtenquote sind die Heterosexuellen mittels Verhütungsmitteln schon selbst verantwortlich.)
4. Kempf liegt völlig daneben, wenn er Vorurteile gegen Schwule (und Lesben) biologisiert, für „natürlich“ erklärt und somit rechtfertigt. (Wer so denkt, würde wohl auch nicht davor zurückschrecken, die Diskriminierung von Behinderten und Ausländer für natürlich zu halten und deren Ausmerze aus Gründen der Volksgesundheit und der Kulturreinheit zu fordern.)
5. Kempfs (recht undeutliches) Konzept einer politischen Indienststellung der „anständigen“ (also nicht praktizierenden) Homosexuellen erinnert in ungefähr an ähnliche Konzepte beim (verstorbenen) Neonazi Michael Kühnen. (Was für sich genommen Kempf allerdings nicht zum Nazi macht.)
Kurzum, Larsen Kempf präsentiert in dem Text sein Unwissen und seine Ressentiments, garniert sie mit versuchsweise starken Worten („Systemkrise“, „Überlebenswille“, „Abendland“) und serviert das ganze mit einigen Spritzern einer unangenehm bräunlich schimmernden Soße. Das Ganze ist so lächerlich gespreizt, so unausgegoren, so … ungenießbar.
Ich hoffe, mit diesem reader’s digest Herrn Böcker und den Besuchern seines Netzauftrittes geholfen zu haben.

Vermischte Meldungen (4)

Zu Nino Rota, der an einem 3. Dezember geboren wurde, heißt es bei „Wikipedia“: „Seine bekannteste Filmmusik schrieb er für Der Pate von Francis Ford Coppola.“ Es steht zu befürchten, dass das stimmt. Da hat einer ein großartiges musikalisches Lebenswerk hinterlassen, hat zehn Opern, 23 weitere Bühnenkompositionen, drei Sinfonien, zahlreiche Solokonzerte sowie viel Kammer- und Chormusik komponiert und die geniale Musik zu genialen Filmen von Fellini, Visconti und anderen Meistern geschrieben — und womit er sich im popkulturellen Gedächtnis, wenn überhaupt, verankert hat, ist eine Melodie, die (übrigens völlig zu Recht) auch bei rumänische Straßenmusikanten beliebt ist.

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Im Interview mit dem „Spiegel“ soll Hamid Karzai, bekannt als Bürgermeister von Kabul, gesagt haben: „Aus unserer Sicht könnte die Bundeswehr für immer hier bleiben.“ Ein sehr guter Einfall. Man muss ihn allerdings ein bisschen radikalisieren: Die gesamte deutsche Bundeswehr sollte für alle Zeiten ausschließlich in Afghanistan stationiert sein. Erst das machte aus meiner Sicht die von Guttenberg und Maizière begonnene Reform des Militärwesens perfekt.

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Der Hass auf den Baron wird zur Manie. In der FAZ schrieb am 26. November Volker Zastrow unter der Überschrift „Ein gefährlicher Mann“: „Guttenberg hat es geschafft, fast in alle wichtigen Redaktionen dieses Landes belastbare Beziehungen aufzubauen, mit ungeheurem Charme. Das hat in einigen Häusern dazu geführt, dass Berichterstatter nicht so geschrieben haben, wie sie dachten. Die Redaktionen wurden auf Linie gebracht, soweit sie sich nicht ganz von selbst drauf brachten, längst vor der Affäre.“ Wie diabolisch! Der Mann muss ja über geradezu dämonische Qualitäten verfügen. Die sonst so freie deutsche Presse im Würgegriff eines Blenders und Betrügers! Gut, dass da endlich einer die guttenbergische Weltverschwörung aufdeckt ... Arbeitstitel für ein Aufklärungsbuch: „Die Protokolle des Weisen von Connecticut“.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Armes Belgien

Das Beste wäre, nicht regiert zu werden. Aber wem passiert das schon? (Frei nach Polgar.) Dass man dauernd regiert wird, ist der Fluch des modernen Staates. Die Bevölkerung des Königreiches Belgien hatte aber immerhin das Glück, 534 Tage lang bloß eine geschäftsführende Regierung zu haben. Die Folge war, dass es dem Land so gut ging wie schon lange nicht. Verglichen mit anderen Volkswirtschaften stand Belgien trotz der offiziellen globalen Krisen ganz gut da. Ohne störende Politik erwirtschaftete man sogar ein höheres Pro-Kopf-Einkommen und ein stärkeres Wachstum als Deutschland.
Damit ist es nun vorbei. Belgien bekommt wieder eine richtige Regierung. Wie man hört, hätten das „die Märkte“ erzwungen, mit anderen Worten: der Terrorismus der Ratingagenturen. Und siehe da, die neue Regierung hat vor, was man von jeder ordentlichen Regierung erwartet: die Bevölkerung soll stärker belastet und die öffentlichen Leistungen sollen abgebaut werden.
Die Gewerkschaften protestieren schon. Zu Recht. Wie aber das neuerliche Regiertwerden jenen Demonstranten gefallen wird, die durch öffentliches Frittenfressen ihr „Belgiertum“ zeigen und ihren Wunsch nach einer Regierung bekunden wollten, bleibt abzuwarten.

Deutschland verbieten!

Wann immer in der Bundesrepublik Deutschland Untaten bekannt werden, die Mitgliedern der rechtsextremen Szene zugeordnet werden können, wird ein Verbot der NPD gefordert. So selbstverständlich auch jetzt, in den Wochen nach dem Rummel um das „Zwicker Terror-Trio“, seine Verbrechen und seine Helfershelfer. Aber was, wenn man fragen darf, würde ein NPD-Verbot denn wirklich bringen? Ändert es die Gesinnung oder Aktionsbereitschaft auch nur eines einzigen Neonazis, wenn es keine legale Partei mehr gibt, die seinen politischen Präferenzen mehr oder minder klar entspricht? Ist irgendetwas besser geworden, wenn Leute mit einer Vorliebe für Fremdenhass, autoritäres Gehabe und nationalistische Einstellungen ihre Stimme der CDU, CSU, FDP, SPD, den Grünen oder der Linken geben? Nein, denn: Nicht die NPD ist das eigentliche Problem, sondern die Leute, die sie wählen oder zu wählen bereit wären.
Doch mit typisch deutscher Verbissenheit konzentrieren sich derzeit wieder einmal Politikergeschwafel und Medienaufmerksamkeit auf ein NPD-Verbot, auf seine juristischen Voraussetzungen und die Wahrscheinlichkeit des Gelingens eines Verbotsverfahrens vor dem Verfassungsgericht. Als Hauptproblem wird dabei gehandelt, wie groß der staatliche Einfluss, ja die staatliche Lenkung sein darf, damit die NPD überhaupt noch als eigenständiges Phänomen und nicht bloß als Konstrukt des Verfassungsschutzes gelten darf. Das scheint alles sehr schwierig.
Nun aber, da es anscheinend Verbindungen zwischen dem „Zwickauer Terror-Trio“ und einem (mittlerweile ehemaligen) NPD-Funktionär gibt, hat man eine neue Idee und hofft, die Partei und den Terrorismus so eng zusammenbringen zu können, dass doch noch ein Verbot herausschaut. Aber ist das eine überzeugende Argumentation? Wie weist man einer Organisation nach, dass einer ihrer Funktionäre nicht bloß Täter oder Helfer bei Verbrechen war, sondern dass er das, was er tat, immer auch, vor allem oder gar ausschließlich als Funktionär der Partei und sozusagen in ihrem Namen tat? Was, wenn die Rechtsterroristen oder ihre Helfer einem Kleingärtnerverein angehört hätten? Muss der dann auch aufgelöst werden? Wenn sie Stammkunden einer Videothek waren? Regelmäßig die „Tagesschau“ sahen?
Eines ist jedenfalls sicher: Die — muss man eigentlich immer noch sagen „mutmaßlichen“? — Mörder und Brandstifter und die, die ihnen halfen, waren und sind deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Mit deutscher Gründlichkeit müsste also das Übel an der Wurzel gepackt und Deutschland verboten werden! Das wäre die sauberste Lösung. Gäbe es Deutschland nicht mehr, verlöre auch der deutsche Nationalismus seine Grundlage und die Neonazis hätten zwar noch Ziele, aber keine Basis mehr.
Wenn also überhaupt ein Verbot sinnvoll ist, dann dieses. Deutschland verbieten!