Dienstag, 29. September 2015

Glosse XXXI

Er befreit sich von ersehntem Geltungsbedürfnis, schreibt eine. Wenn er das Bedürfnis aber noch gar nicht hat, sondern es erst ersehnt, wie macht er sich dann davon frei? Und warum eigentlich, wenn er es doch ersehnt?

Glosse XXX

Typuserkrankung — das nenn ich mal eine gelungene Verschreibung! Denn tatsächlich kranken ja gar nicht so wenige an ihrem Typus.

Sonntag, 27. September 2015

„Die Religion sagt, dass Gott uns geschaffen hat, und die Wissenschaft, dass Gott vom Affen abstammt.“

Donnerstag, 24. September 2015

Wenn die Populisten sagen, dass sie die Ängste der Leute ernst nehmen, glaube ich ihnen das sogar. Sie nehmen sie ernst, weil sie ihr Kapital sind. Und das wollen sie um jeden Preis vermehren.

Dienstag, 22. September 2015

Also aus meiner Sicht ist das menschliche Denkvermögen nicht dazu da, es sich in der Welt gemütlich zu machen.

Montag, 21. September 2015

Was heißt Bielefeld auf Arabisch?

„Die“ müssen erst einmal Deutsch lernen. Heißt es. Aber warum eigentlich? Warum lernen nicht „die Deutschen“ erst einmal beispielsweise Arabisch? Der Aufwand für den Einzelnen ist so ziemlich derselbe, ob nun einer, der Arabisch kann, Deutsch lernt, oder einer, der meint, Deutsch zu können, Arabisch lernt.
Aber das geht doch nicht, wird man einwenden, hier ist doch Deutschland. Na und, erwidere ich dann, deshalb darf man keine Fremdsprachen können? Niemand muss ja Deutsch verlernen, wenn er beispielsweise Arabisch lernt. Englisch wollen doch auch alle können. Schafft sich Deutschland deswegen etwa ab?
Aber Sprachkenntnisse sind doch eine Voraussetzung für gelingende Integration, wird man einwenden. Eben, erwidere ich dann, und weil die Sprachkenntnisse der Flüchtlinge ja bereits vorhanden sind (einige können zum Beispiel Arabisch), muss bei den mangelnden Sprachkenntnisse „der Deutschen“ nachgebessert werden, sie sollten zum Beispiel dringend Arabisch lernen. Man wird doch nicht im Ernst von Menschen, die traumatische Fluchtbiographien haben und sich ohnehin erst im fremden Land halbwegs einrichten müssen, auch noch verlangen, gerade jetzt eine fremde Sprache, noch dazu das komplizierte Deutsch mit seiner tückischen Grammatik aus lauter Ausnahmen und Willkürlichkeiten zu erlernen? Ein bisschen mehr Willkommenskultur, wenn ich bitten darf!
Aber, wird man einwenden, im Verkehr mit den Behörden ... am Arbeitsplatz ... im Alltag ... also, das geht doch nicht. Wieso denn nicht, erwidere ich dann, je mehr Leute eine Fremdsprache können, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit einer Übersetzung aushelfen kann. Ideal wäre es natürlich, wenn gleich die Fremdsprachigen die Behörden und Betriebe übernähmen, dann wäre die Integration so ziemlich gesichert.
Aber ..., wird man einwenden wollen. Nichts aber, schneide ich dann das Wort ab. Das wäre überhaupt die Lösung! Um für Neuankömmlinge Platz zu machen, räumt man einfach komplett eine deutsche Großstadt. Inländer raus, Ausländer rein. Na gut, wer nicht mehr so richtig mobil ist, darf bleiben. Ansonsten wird halt mitten in Deutschland aus einer deutschsprachigen Stadt eine fremdsprachige. Die sich dann selbst verwaltet und bewirtschaftet. Was heißt zum Beispiel Bielefeld auf Arabisch?

Glosse XXIX

Wegen seiner technischen Herausforderungen gilt die Oper als fast unspielbar. Das muss man doch hören, dass das falsch ist!

Sonntag, 20. September 2015

Glosse XXVIII

Wer ein riesen Sortiment verheißt, verspricht mehr Adjektivität, als er halten kann.
Verbraucherschutz bedeutet, dass man dafür zu sorgen versucht, dass die Leute an dem Dreck, den man ihnen verkauft, nicht gleich krepieren, weil die Ahnung, dass dem doch so sein könnte, das Kaufverhalten ungünstig beeinflussen dürfte.

Freitag, 18. September 2015

Europa versagt nicht in der Flüchtlingskrise

Ich weiß gar nicht, was die Leute wollen, Europa funktioniert doch sehr wohl. Es funktioniert, wie es immer funktioniert hat und wozu es gegründet wurde: Die Reichen reicher zu machen und die Armen in Schach zu halten. Das ist nicht zynisch, wie’s jetzt gleich wieder heißt, das ist realistisch. 
Wer meint, die „europäischen Werte“ hätten je eine anderen Zweck gehabt, als die Profitmaximierung auf Kosten von Mensch und Natur mit ein paar schönen Phrasen zu umnebeln, damit die Geschäfte möglichst reibungsfrei abgewickelt werden können, hat wohl in den letzten Jahrzehnten nicht richtig aufgepasst. Schon mal was von Neoliberalismus gehört? 
Ja, sicher, so etwas wie die Menschenrechtskonvention ist eine schöne Sache, durchaus, aber sie wäre gar nicht nötig, wenn die Erfahrung nicht gezeigt hätte, dass die Nationalstaaten dazu neigen, ihren eigenen Bevölkerungen hin und wieder an die Gurgel zu gehen. Das aber ist schlecht fürs Geschäft. Und was das in Deutschland so beliebte Grundgesetz betrifft: Mal im Ernst, wenn Artikel 1, worin es heißt, dass die Würde des Menschen unantastbar sei, wirklich etwas bedeutete, gäbe es dann Hartz IV mit allen Schikanen? 
Wie auch immer. Was jetzt passiert, die breit gestreute und doch immer wieder punktgenaue Unfähigkeit, ein paar Hunderttausend Menschen anständige Zuflucht zu gewähren, ist kein Versagen des real existierenden Europas, sondern dessen ganz normales Funktionieren. Sozusagen das Gegenstück zur Bankenrettung (Reiche reicher machen). Flüchtlingen das Flüchten und Geflüchtetsein so schwer und unangenehm zu machen, wie es gerade noch möglich ist, ohne dass es einen Volksaufstand gibt (weil die Menschen dann doch nicht die Unmenschen sind, zu denen man sie erzieht) — was ist das, wenn nicht: die Armen in Schach halten. 
Souverän ist, wer von Krisen, die er selbst auslöst, zu profitieren versteht. Wer jetzt so tut, als sei es etwas Neues, dass die Nationalstaaten sich vor sozialer Verantwortung drücken und im Zweifelsfall auf mehr Kontrolle und Abgrenzung setzen, dem ist nicht zu helfen. Europa aber, diese Bande von Nationalstaaten, versagt nicht in der Flüchtlingskrise, es erzeugt, steuert und nutzt sie.

Dienstag, 15. September 2015

Hoffnung auf eine andere Revolution

Unter der bemerkenswerten Überschrift „Ich hoffe auf eine andere Revolution“ bloggte der Göttweiger Benediktiner P. Johannes Paul Abrahamowicz am 27. August: „Wenn die Regierung weiterhin bereitwillige Menschen daran hindert, Flüchtlinge aufzunehmen, nur weil die Lebensbedingungen, die sie anbieten, irgendwelchen Gesetzen nicht 100%ig entsprechen, werden diese bereitwilligen Österreicherinnen und Österreicher, hoffentlich bald auf diese Gesetze pfeifen, auf diese ‘Überlieferungen der Menschen’ (Evangelium am Sonntag Mk 7,8). Oder ist jemand unter ihnen, der schlechtere Lebensbedingungen anbietet als Traiskirchen?“ (Der Vers aus dem Markusevangelium, auf den der Pater anspielt, lautet: „Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen.“)
Und dann setzt der Mönch hinzu: „Mensch ist Mensch und Not ist Not (vgl. 2. Lesung Jak 1,27). Diese Binsenweisheit tragen viele von uns im Herzen, wohl mehr als manche in der Regierung wahrhaben wollen. Hoffentlich schaffen es möglichst viele Österreicherinnen und Österreicher, (…) diese Binsenweisheit noch vor Oktober womöglich flächendeckend in die Tat umzusetzen! Damit wären zwar nicht alle Probleme aus der Welt geschafft, aber vielleicht so manche sture Barriere aus dem Gesetz.“ (Das Jakobuszitat lautet: „Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind, und sich vor jeder Befleckung durch die Welt zu bewahren.“)
Mensch ist Mensch und Not ist Not. Das ist, Binse hin oder her, wirklich weise. Es sei allen ins Stammbuch geschrieben, die unbedingt zwischen „tatsächlichen Flüchtlingen“ und „Migranten“ unterscheiden wollen und sich so schrecklich sorgen, ob auch die richtigen, die zu „uns“ Passenden ins Land kommen und nicht viel zu viele von den falschen, den allzu Bedürftigen, allzu Bereitwilligen, allzu Bedrohlichen.
Mensch ist Mensch und Not ist Not. Und basta. Amen.

Sonntag, 13. September 2015

Hat wirklich irgendjemand irgendwann irgendwo behauptet, alle Flüchtlinge seien gut? Ich war’s sicher nicht. Ich bin im Gegenteil sogar der Überzeugung, dass unter den Flüchtlingen auch viele sehr schlechte Menschen sind. Warum um Himmels willen sollten Flüchtlinge besser sein als Nichtflüchtlinge? Unter ihnen sind mit Sicherheit Menschen mit unmöglichen politischen Überzeugungen, schlechten Manieren, üblen Lastern und bösen Absichten oder problematischen Vorgeschichten. Nur dass das alles nichts damit zu tun hat, wie Menschen, die helfen können, sich angesichts von Menschen in Not zu verhalten haben. Es ist nicht die moralische Qualifikation meines Nächsten (und auch nicht seine politische, religiöse, weltanschauliche), die mich zum Handeln verpflichtet. Man lese mal Lk 10,25-37 nach, das Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner (das Jesus als Antwort auf die Frage, wer ist mein Nächster?, erzählt): Ein Priester und ein Levit gehen an dem von den Räubern halb tot Geschlagenen vorüber; der aber, der dann hilft, fragt nicht, ob der, der Hilfe braucht, dieselbe Religion oder Volkszugehörigkeit hat wie er selbst oder ob er auch ja ein guter Mensch ist. Er tut, was nötig ist. „Gehe hin und handle ebenso.“

Freitag, 11. September 2015

Ungleiches Recht für Flüchtlinge

Letztens diskutierte ich auf facebook darüber, ob man zwischen „tatsächlichen“ und „sogenannten“ Flüchtlingen unterscheiden müsse. Manche meinen ja, man müsse da strikt unterscheiden und die einen abweisen und zurückschicken, um den anderen helfen zu können. Ich selbst bin gegen eine von außen an Menschen herangetragene und ihnen (mit existenziellen Folgen) auferlegte Unterscheidung, stattdessen soll jeder selbst seine Migrationsgründe definieren dürfen, die nämlich auch dann legitim sein können, wenn es nicht um Krieg oder politische Verfolgung, sondern um das ganz „normale“ Elend, um Chancen- und Perspektivlosigkeit in wirtschaftlich darniederliegenden Weltgegenden geht.
Insbesondere habe ich Bedenken, wenn die Kategorisierung von Menschen in Not zum Zwecke entweder Abhilfe zu schaffen oder die Not zu perpetuieren durch nationalstaatliche Bürokratien erfolgt. Staaten sind Teil des Problems, nicht der Lösung.
Bestätigt fühle ich mich in dieser Einschätzung durch folgende Meldung: „Um das Flüchtlingslager Traiskirchen zu entlasten, will Niederösterreich jugendliche Asylwerber nicht mehr in Jugend-Einrichtungen mit spezieller Betreuung unterbringen, sondern wie Erwachsene. Die Grenze für die Volljährigkeit soll dazu auf 17 Jahre herabgesetzt werden. LH [Landeshauptmann] Pröll sagt, es sei im Sinne einer effizienteren Unterbringung, Minderjährige in Quartiere zu geben, die auch Österreichern zugemutet werden.“ (ORF-Text)
Durch einen Verwaltungsakt minderjährige Flüchtlinge gleichsam für volljährig zu erklären, zumindest was ihre Pflichten, nicht aber irgendwelche Rechte betrifft, ist ein Beispiel für genau jene bürokratische Willkür, die ich immer erwartet, befürchtet und abgelehnt habe.
Was hindert denn daran, per Dekret Flüchtlinge schon mit 16 für volljährig zu erklären und aus den Unterkünften für Minderjährige zu werfen, um damit Geld zu sparen? Oder mit 15? Oder 14? Auf derselben Linie liegen Vorschläge, für Flüchtlinge die Schulpflicht „auszusetzen“. Damit sollen Schulen „entlastet“ werden.
Im Namen von Sparsamkeit und Effizienz werden willkürliche Grenzen gezogen, die immer auf die Ungleichbehandlung von Gleichem hinauslaufen, also, wiewohl oft gesetztes „Recht“, durchaus unbillig sind. Dies kann man, weil man die Macht dazu hat, weil die, über deren Leben man verfügt, nur passive Objekte staatlich-bürokratischen Handelns sind, nicht gleichberechtigte Subjekte und Teilhaber am gesellschaftlichen Prozess. „Wir“ definieren uns „die“ zurecht, bis sie unseren Bedürfnissen entsprechen (oder eben nicht entsprechen und dann zu verschwinden haben). Die Betroffenen selbst, deren Bedürfnisse aus der Not erwachsen, haben kein Mitspracherecht. Sie gehören hier eigentlich nicht hin, nur unsere Großzügigkeit duldet sie vorübergehend.
Und immer wieder taucht dabei das Argument auf, man müsse eben Abstriche machen, Standards absenken, die Unterstützung der einen reduzieren oder verweigern, um anderen helfen zu können: Eine Logik der Segregation und des Ausspielens der einen Hilfsbedürftigen im Namen der anderen und der angeblich beschränkten Möglichkeiten.
Wenn einen zur Widerlegung solcher „Logik“ schon das Argument nicht überzeugt, dass Not Not ist und die Gründe dafür sekundär — weil es gilt, die Not zu beheben; erst wenn man die Gründe bekämpfen wollte, müsste man sie unterscheiden —, so sollte man doch ein Unbehagen verspüren angesichts der massiven politischen Bereitschaft, so lange an geltendem Recht herumzuschrauben, bis es Unrecht wird. Denn gewiss ist die Volljährigkeitsgrenze bei 18 Jahren willkürlich. Doch wenn sie für Österreicher gilt, muss sie auch für nach Österreich Geflohene gelten. Wer zwischen „tatsächlichen“ Minderjährigen und „sogennanten“ unterscheiden will, um sich der Verantwortung zu entziehen und Geld zu sparen, das anderswo verpulvert wird, tut Unrecht.