Mittwoch, 27. Dezember 2017

Das Gefasel vom „bezahlbaren Wohnraum“

„Wohnungen sind nicht selten ausschließlich Renditeobjekte, weshalb preiswerter, bezahlbarer Wohnraum fehlt. Mit solchem Wohnraum kann man nämlich nicht so viel verdienen! Das ist zynisch, im Letzten sogar menschenverachtend. Dies ist ein ganz dunkles Kapitel der aktuellen gesellschaftlichen Wirklichkeit. Wohnen ist ein Menschenrecht.“ (Rainer Maria Kardinal Woelki, Weihnachtsprediger)

So, ich erkläre es gern noch einmal: jede Wohnung ist „bezahlbar“, wenn man das nötige Geld dafür hat. Dass Mieten und Immobilienpreise „zu hoch“ seien, ist eine Behauptung, für die sich schwerlich ein Kriterium finden lässt. Die Wohnkosten verbrauchen in D. und Ö. durchschnittlich ein Drittel des Einkommens, heißt es. Und das seit langem unverändert, heißt es. Ein Drittel sei in Ordnung, heißt es. Fakt ist aber, dass nicht jeder so wohnt, wie er es gern täte, wenn er es sich leisten könnte. Fakt ist auch, dass viele fürchten, sich in Zukunft nicht mehr leisten zu können, wie sie jetzt wohnen. Also sind offensichtlich die Einkommen (und Vermögen) für die Erfüllung vorhandener Wünsche und die Abwehr bestehender Ängste zu gering. Dafür können aber Vermieter und Investoren nichts. In der Marktwirtschaft bilden sich Preise, das hat man doch mal gelernt, durch Angebot und Nachfrage. Hohe Nachfrage, hohe Preise. Und so schlecht scheint das Angebot auch nicht zu sein, denn bis jetzt bleiben die Immobilienmakler meines Wissens nicht massenhaft auf den „teuren“ Wohnungen und Häusern sitzen, sonst hätten sie ihr Geschäftsmodell ja schon längst verändert. Am Markt liegt’s demnach nicht, wenn so viele unzufrieden sind, der funktioniert, wie er (aus kapitalistischer Sicht) soll: Er schlägt möglichst viel Profit aus der Sache. In der Folge ist dann freilich nicht für jeden ein Schnäppchen dabei. Trotzdem wohnen doch fast alle irgendwie. Wer nun ums selbe Geld wie jetzt besser wohnen möchte als jetzt (oder auch in Zukunft genauso gut), muss halt so tun, als wäre Wohnraum keine Ware, sondern ein Menschenrecht. Vielleicht gibt’s dann was geschenkt. Stellt sich bloß die Frage: Von wem eigentlich?

Dienstag, 26. Dezember 2017

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Adventgedanken

„Zu einem richtigen Weihnachten gehört“ — nach dem Verständnis der Leute — anscheinend alles Mögliche, aber nicht notwendig die Geburt des Erlösers.
 
* * *
 
Das mit der Abschaffung des Advents und der Verkitschung von Weihnachten hat der Teufel ziemlich gut hingekriegt.

Dienstag, 19. Dezember 2017

Ab ins Kaqueh!*

Wiens Vizebürgermeister Gudenus von der FPÖ wünscht sich, dass Flüchtlinge in Zukunft nicht mehr in Wohnungen irgendwo in der Stadt untergebracht, sondern in „Quartieren" am Stadtrand konzentriert werden.
Solche Konzentrationsquartiere (KQ) können natürlich nur ein erster Schritt sein. In einer zweiten Phase werden Flüchtlinge einmal am Tag in die Stadt getrieben, um auf öffentlichen Plätzen von den Einheimischen angespuckt werden zu können.
 
*Für reichsdeutsche Leser: Kakuh.

Samstag, 16. Dezember 2017

Eigentumsverschiebungen

USA erklären die „Klagemauer“  zu israelischem Staatsgebiet, Grönland schenkt Madagaskar den Grand Canyon und Malaysia erklärt, Mount Rushmore sei selbstverständlich ein Teil von Peru. Achtung, eine von den drei Absurditäten ist Realität!

Freitag, 15. Dezember 2017

Wie in der guten alten Zeit

In Deutschland sind die Einkommensunterschiede so groß wie zuletzt 1913. Da muss man verdammt aufpassen, dass nächstes Jahr in Sarajewo kein Erzherzog erschossen wird.

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Tatsachenverdrehung (IV)

„Wer das Existenzrecht Israels leugnet, greift auch die Bundesrepublik an.“ (Die Zeit) Und das wäre ja gaaanz furchtbar, wenn es keinen deutschen Staat gäbe, nicht wahr?

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Smoking gun

Dass auf Verlangen der FPÖ das völlige Rauchverbot in der Gastronomie nun doch nicht kommt, bestätigt meine alte These (die Nikotinsüchtige naturgemäß nicht gerne hören), dass nämlich Rauchen faschistisch ist.

Dienstag, 12. Dezember 2017

Tatsachenverdrehung (III)

Derzeit ist naturgemäß die Gelegenheit, für Deutschlands hauptberufliche Dummschwätzer*innen, sich zu Wort zu melden. „Deutschland ist ein offenes und tolerantes Land.“ Das ist mir erstens völlig neu und widerspricht einer Fülle von Erfahrungen, zweitens freut man sich schon auf das Aber, das einer solchen selbstverliebten Selbstverkennung unweigerlich folgt. „Aber wer in Deutschland leben will, muss sich unserem Wertekonsens verpflichten.“ Eine Begründung, warum das so ist, wird selbstredend nicht geboten. Ist einfach so: Entweder du hast dieselben Werte wie „wir“ oder du hast dein Existenzrecht verwirkt. Was mit Schurken, die nicht deutsch genug werten, passieren soll, sagt die Autorin nicht: Nur Deportieren? Oder gleich Vergasen? Mit beidem kennen Deutsche sich ja aus. Einer Journalistin jedenfalls passiert so eine Formulierung („wer … leben will“; das Gegenteil von leben ist bekanntlich sterben) nicht einfach, das ist tief im Wertekonsens der Volksgemeinschaft verankert. Aber was ist überhaupt das todeswürdige Verbrechen, um das es hier geht? „Wer den Davidstern in Deutschland verbrennt, steht außerhalb der Meinungsfreiheit.“ Meiner Meinung nach ist das Blödsinn. Verbrannt wurde die Fahne des Zionismus und des Staates Israel, nicht „der Davidstern“, also nicht ein Symbol einer Religion oder Bevölkerungsgruppe, sondern das Symbol eines kolonialistischem, rassistischen Bewegung und eines genozidalen Terrorstaates. Gibt es etwas Perverseres als dieses deutsche Gesindel, dass sich unter Berufung darauf, einst als Nation Millionen Menschen umgebracht zu haben, das moralische Recht zuschreibt, sich auf die Seite von Mördern zu stellen?

Tatsachenverdrehung (II)

Absurd. Der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärt das Verbrennen israelischer Fahnen für „antisemitisch“. Das heißt, er setzt „jüdisch“ und „israelisch“ gleich. Und gibt damit jenen Verblödeten Recht, die meinen, ihre Gegnerschaft gegenüber israelischer Politik berechtige sie, gegen „die Juden“ zu sein.

Sonntag, 10. Dezember 2017

Gesinnungsgenossen

Dass Österreichs oberster Nazi (und wohl bald Vizeregierungschef) dafür eintritt, Österreichs Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, überrascht mich nicht. Gesindel findet bei anderem Gesindel immer seine Gesinnungsgenossen

„Kauft nicht bei Israelis (wenn sie Araber sind)!“

Der israelische Minister Avigdor Liberman ist um keinen Deut besser als die Nazis in den 30er Jahren. Seit langem versuchen Zionisten und ihre Helfershelfer, die BDS-Bewegung dadurch zu diskreditieren, dass sie wahrheitswidrig behaupten, der Aufruf zum politischen, ökonomischen und kulturellen Boykott des israelischen Besatzungsregimes sei eine Wiederholung des nazistischen „Judenboykotts“. Jetzt ruft Liberman jüdische Israelis dazu auf, nicht mehr bei arabischen Israelis einzukaufen. DAS entspricht nun tatsächlich eins zu eins dem nazistischen „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ Wer immer noch leugnet, dass der „jüdische Staat“ notwendig ein rassistischer Staat ist, könnte jetzt einmal mehr eines Besseren belehrt sein — wären Zionisten und deutsche „Israelfreunde“ nicht so fanatisch irrational und realitätsfremd.

Samstag, 9. Dezember 2017

Tatsachenverdrehung (I)

Wer das Verbrennen von Israel-Flaggen für „antisemitisch“ erklärt, übernimmt die Ideologie des Zionismus, wonach jeder Jude kraft völkischer Zugehörigkeit eigentlich ein Israeli und der Staat Israel der Vertreter und Sprecher aller Juden ist.

Donnerstag, 7. Dezember 2017

Mittwoch, 6. Dezember 2017

#notwithme

Was für grauenhaft dreckige Zeiten, in denen, wenn es um „Sexualität“ geht, beliebige Vorwürfe immer schon als erwiesene Vorfälle gehandelt werden und Anschuldigungen sofort als Verurteilungen wirksam sind. Hysterisch-selbstgefälliger Terror wie in den Hochzeiten der Französischen Revolution, des Nazismus, des Stalinismus (wenn auch erfreulicherweise unblutig): Wenn’s zur Sache geht, interessieren Unschuldsvermutung und andere rechtsstaatliche Kinkerlitzchen nicht. Die Sache ist die der Konformierung einer marktgerechten Sexualität, die von allen Widersprüchen, Ungerechtigkeiten, Unangemessenheiten, Verwerflichkeiten gereinigt ist. Konsumismus und Puritanismus verschmelzen in einem kontrollierten Hedonismus. Selbstverständlich geht es um Macht, aber offensichtlich ist sie nicht auf Seiten der Beschuldigten und Schuldigen, sondern ihrer selbsternannten Opfer. Lebten wir, wie behauptet, in patriarchalen Verhältnissen, fände #metoo nicht statt. Feminismus funktioniert als Selbstverständlichkeit, ist fester Bestandteil der aktuellen Ideologie. Die Totalität der Rechte (des Rechte-Habens) zersetzt die Universalität des Rechts (des Gerecht-sein-Sollens) und bedeutet in der Praxis Rechtlosigkeit der Verworfenen. Unrecht wird damit in den seltenste Fällen beseitigt. Wohl aber Dissidenz.

Dienstag, 5. Dezember 2017

Pflicht und Schuldigkeit

Wenn alle, die der SPD jetzt erklären, dass sie unbedingt regieren müsse, sie auch gewählt hätten, könnte sie allein regieren.

Antiasylverfahren

Derzeit wird „in den Medien“ gern über die hohe Zahl von Einsprüchen gegen ablehnende Asylbescheide in Deutschland berichtet und darüber, was die Gerichtsverfahren kosten. Stattdessen sollte die Berichterstattung sich darauf konzentrieren, warum so viele Entscheidungen von „Entscheidern“ vor Gericht nicht Stand halten. Was für eine bizarre Maschinerie leistet sich der Staat da, um Menschen zu schikanieren und womöglich ins Unglück zu stürzen.

Montag, 4. Dezember 2017

Sonntag, 3. Dezember 2017

Ewig heutig

Die fieberhafte Berichterstattung vom AfD-Parteitag auf allen Kanälen erscheint mir überflüssig. Man hätte auch einfach auf ARD alpha oder so nen Riefenstahl-Film zeigen können, und gut is.

Freitag, 1. Dezember 2017

Ihr Kinderlein, kommet nicht

Die Adventszeit steht kurz bevor, bald wird das Fest der Geburt Christi gefeiert. Wen wundert’s da, dass eine große Zahl von Mitgliedern des deutschen Bundestages dafür eintritt, das Verbot der kommerziellen Werbung für Kindsmord abzuschaffen. Wohl nach dem schönen alten Slogan: „Hätt’ Maria abgetrieben wär’ und was erspart geblieben!“

Mittwoch, 29. November 2017

Notiz zur Zeit (168)


Das Gute an den Forderungen des BDI: Wenn man geradewegs das Gegenteil machte, käme vernünftige Politik dabei heraus.

Dienstag, 28. November 2017

Nachtragender Gehorsam

Deutsche Radiosender boykottieren die Konzerte eines Musikers, weil der Israel kritisiert. (Vorwürfe, die 2013 schon widerlegt wurden, erreichen jetzt, mit der gebührenden Verspätung, auch Mitteleuropa, wo man zu blöd oder zu bösartig ist, sich zu informieren.)

Sonntag, 26. November 2017

Offener Post

Hallo, Herr Papst, wenn Sie demnächst Aung San Suu Kyi treffen, könnten Sie ihr dann bitte in meinem Namen eine runterhauen? Danke.
Meine Augen sind nicht so gut. Statt „Migrantengewalt: Die Schweigespirale“ hatte ich zu sehen gemeint: „Migrantengewalt: Die Schweizergarde“ …

Samstag, 25. November 2017

Das Gesetz und der Flüchtling

Du bist kein Flüchtling, sagt das Gesetz zum Flüchtling. Denn wer ein Flüchtling ist, bestimme ich, und dein Fall fällt nicht darunter.
Du magst mich nennen, wie du willst, hochverehrtes Gesetz, sagt der Flüchtling. Wir wollen hier nicht um Wörter streiten. Fest steht …
Um Begriffe, unterbricht das Gesetz. Ich streite nie um Wörter, ich bestimme Begriffe.
Wir wollen, hochverehrtes Gesetz, fährt der Flüchtling fort, hier weder um Wörter noch Begriffe streiten. Fest steht …
Ich streite gar nicht, unterbricht das Gesetz. Was ich sage, gilt.
Selbstverständlich, sagt der Flüchtling, was du sagst, gilt, hochverehrtes Gesetz. Fest steht, dass ich auf der Flucht war. Und zweifellos kann man einen, der auf der Flucht war, einen Geflüchteten nennen. Was aber soll der Unterschied zwischen einem Geflüchteten und einem Flüchtling sein?
Was geht mich das an?, sagt das Gesetz. Für mich bist du kein Flüchtling, das genügt mir.
Worum es mir geht, sagt der Flüchtling, sind nicht Wörter oder Begriffe oder Paragraphen. Mir geht es um mein Leben. Ich war auf der Flucht und habe nach Zuflucht gesucht, nicht nach Wörtern, Begriffen, Paragraphen.
Ordnung muss sein, sagt das Gesetz.
Ordnung muss sein, sagt der Flüchtling. Aber …
Du hast keinen Anspruch auf Asyl, sagt das Gesetz. Dein Fall erfüllt meine Kriterien nicht.
Ich habe nicht nach Asyl gesucht, sagt der Flüchtling. Ich war auf der Flucht und suchte Zuflucht. Ich floh vor dem Tod. Ich floh vor einem schlechten Leben und suchte ein besseres.
Du hast keinen Anspruch auf Duldung, sagt das Gesetz. Dein Fall erfüllt meine Kriterien nicht.
Ich habe nicht nach Duldung gesucht, sagt der Flüchtling. Ich war auf der Flucht, suchte Zuflucht und hatte gehofft, sie hier zu finden, hatte gehofft, hier bleiben zu dürfen, um ein Leben zu leben, das besser ist als das Leben dort, von wo ich geflohen bin. Wie du das nennst, ist deine Sache.
Ich nenne es, wie ich will, sagt das Gesetz. Ich bin das Gesetz. An mich muss du dich halten.
Aber bist du denn auch mein Gesetz?, fragt der Flüchtling.
Ich gelte für alle, sagt das Gesetz.
Du schließt mich aus und schickst mich weg, sagt der Flüchtling, du sagst mir, dass ich nicht hierher gehöre, dass ich nicht dazu gehöre, das ich hier nicht sein darf, aber du bist auch mein Gesetz?
Ich gelte für alle, wiederholt das Gesetz. So lange du hier bist, gelte ich auch für dich. An mich musst du dich halten. Weil du hier bist, schicke ich dich weg.
Verstehe ich das richtig?, fragt der Flüchtling. Auf der Flucht galtest du noch nicht für mich, erst seit ich nicht mehr auf der Flucht bin, sondern hier, giltst du auch für mich und sagst mir, hochverehrtes Gesetz, dass ich gar nicht auf der richtigen Flucht war und darum gar kein richtiger Flüchtling bin?
Ich bestimme die Begriffe, sagt das Gesetz. An mich musst du dich halten.
Du bist, sagt der Flüchtling, das, wovor ich geflohen bin. Du bist das Unrecht, die Unterdrückung, die Verfolgung. Du bedeutest Bedrohung und Tod. Ich suchte Schutz bei dir, aber du schützt mich nicht. Ich wollte mich an dich halten, aber du weist mich ab. Du bist nicht mein Gesetz. Du bist das Gesetz derer, denen mein Leben nichts gilt.
Ich bin das Gesetz, sagt das Gesetz. Ich gelte für alle. Ich gelte auch für dich. An mich muss du dich halten. Geh weg. Du hättest nicht kommen dürfen. Du darfst nicht hier sein. Geh weg. Wenn du nicht gehst, sperre ich dich ein, damit du gehst. Mit Gewalt schaffe ich dich fort. Geh weg.
Wenn ich kein Flüchtling bin, sagt der Flüchtling, wenn meine Flucht keine Flucht war, dann bin ich gar nicht geflohen, dann bin ich gar nicht hier, dann kann ich auch nicht fort.
Geh weg, sagt das Gesetz. Das ist mein letztes Wort.

Mittwoch, 22. November 2017

Aufgeschnappt (bei Alejandro Solalinde)

Sowohl Papst Johannes Paul II. als auch Benedikt XVI. haben sich mit dem Problem der Migration beschäftigt, aber viel mehr noch Papst Franziskus, der gesagt hat, dass es für jeden Einzeln angesichts der Not der Migranten nicht nur eine Gelegenheit, sondern eine moralische Verpflichtung sei, zu helfen. Ich habe gehört, dass die Antwort, die die katholische Kirche in Europa darauf gibt, eine sehr weiche, seichte Antwort ist. In der Hinsicht ist es in Lateinamerika anders. Ich würde mir wünschen, dass die katholische Kirche in Europa in den Migranten einen Wert wahrnimmt und sie empfängt wie Jesus Christus. Denn in jedem Migranten ist Jesus. Außerdem sollten sich die Kirchen in Europa angesichts der Migration für ein Politikverständnis einsetzen, dass auch diese neue Entwicklung wertschätzt. Diesen Übergang, demographisch gesehen, von einer rein nationalstaatlichen Gesellschaft zu einer Gesellschaft, in der Migranten auf Dauer eine wichtige Rolle spielen werden.
(Alexandra Mantler vom ORF:) Auf den Hinweis, es sei aber nun einmal ein Fakt, dass viele Menschen in Europa, auch Christinnen und Christen, Skepsis und Angst empfinden würden angesichts von Flüchtlingsströmen und Zuwanderung, Stichwort: Wir können doch nicht alle aufnehmen! Was sollen wir tun, meint Pater [sic] Alejandro Solalinde:
Diese Frage hätten sich die Europäer früher stellen sollen, nämlich in dem Augenblick, als Europa sich in Afrika eingemischt hat und dort während der Kolonialzeit und auch danach eine Spur der Verwüstung hinterlassen hat. Und jetzt plötzlich, wenn diese Menschen vor der eigenen Tür stehen, dann will man davon nichts mehr wissen? Das hätte sich Europa früher überlegen müssen. (…) Jetzt ist es für solche Überlegungen zu spät. (…)
Die Welt befindet sich in einem Zustand der Auflösung auf Grund der Krise des Kapitalismus, die in alle Lebensbereiche hineinwirkt. Selbst die Kirche befindet sich in dieser Krise. Angesichts dieses Zustandes ist es zu wenig, nur oberflächlich ein Pflaster über einen teil der Wunde zu kleben, sondern wir brauchen einen umfassenden chirurgischen Eingriff ins Weltsystem. Es geht nicht nur darum, ein paar kleine Reformen in Bezug auf den Umgang mit den Migranten zu unternehmen, sondern das ganze System muss verändert werden. Wir müssen die Achsen der Welt verändern. Das beginnt damit, dass wir Gott als den Gott des Lebens wahrnehmen und den Menschen in den Mittelpunkt rücken — und nicht den Markt und das Geld. Es geht nicht darum, das Finanzkapital besser zu regulieren, sondern das Kapital überhaupt dafür einzusetzen, diese entscheidende Achse, nämlich das menschliche Leben, weiter zu fördern und voranzubringen.

Dienstag, 21. November 2017

Notiz zur Zeit (167)

Viele deutsche Kommentatoren sorgen sich, was nur aus Europa, ja gar aus "der Welt" werden soll, wenn die BRD wochenlang keine gewählte Regierung hat. Und man muss ja auch sagen, dass in den sogenannten Sondierungen Deutschlands Verantwortung für die Welt immer eine entscheidende Rolle gespielt hat. Statt sich mit innerdeutschen Befindlichkeiten und nationaler ´Kollektiv-Egomanie zu befassen, fragten sich die Beteiligten dauernd: Wie kann Deutschland seine erhebliche Mitwirkung an der Weltwirtschaftsordnung so gestalten, dass Ausbeutung, Zerstörung und Verblödung vermindert werden? Welches Unrecht haben wir begangen, was können wir stattdessen und zum Ausgleich tun? Wie präsentieren wir uns als das weltoffene, menschenfreundliche, selbstlose Land, das wir in der Tiefe unseres Herzens sind und immer schon waren? Ja, so war das. Aus unbekannten Gründen ist nichts daraus geworden. Wie schade für die Welt!

Sonntag, 12. November 2017

Recht auf Arbeit bei Andersgläubigen?

Eines vorweg: Ich bin kein Veganer, ich finde Veganismus Blödsinn und mache mich gern über Veganer lustig. Allerdings bin ich auch davon überzeugt, dass in einer pluralistischen Gesellschaft Menschen Veganer sein dürfen müssen. Sie müssen sogar davon überzeugt sein dürfen, dass allein ihre Weltanschauung richtig ist und alle anderen auf unverantwortliche Weise falsch liegen; solange sie niemanden mit Gewalt zum Veganertum zu zwingen versuchen, keine ungebührliche Belästigung entfalten und sich auch sonst an Recht und Gesetz halten, dürfen sie denken und tun, was sie wollen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob Veganer außer Vereinen und allenfalls noch Restaurants auch andere Einrichtungen unterhalten — Kindergärten, Schulen, Altenheime und dergleichen —, aber wenn sie es täten, warum sollten sie es nicht dürfen? Und sie dürften auch von den in solchen und anderen von ihnen betriebenen Einrichtungen Beschäftigten erwarten, dass diese nicht nur in ihrer Arbeitszeit Veganismus praktizieren, in ihrer Freizeit aber Fleischfresser, Pelz- und Lederträger oder Tierquäler sind, sondern sie dürfen es durchaus zur Bedingung machen, dass die Beschäftigten überzeugte Veganer sind. Alles andere scheint mir unzumutbar und ein Eingriff in die Weltanschauungsfreiheit.
Die entsprechende Religionsfreiheit scheint für Christen nicht zu gelten. Jedenfalls wenn es nach dem geht, was in diesen Tagen der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof diesem zu entscheiden vorschlägt: Dass nämlich religiöse Gemeinschaften nicht in jedem Fall das Recht hätten, eine bestimmte Religion oder Konfession zur Voraussetzung einer Beschäftigung in von ihnen betriebenen Einrichtungen zu machen. Das hänge von der Art der Tätigkeit ab und müsse im Einzelfall (von nationalen Gerichten) entschieden werden.
Also soll ein Koch in einem veganen Restaurant Veganer sein müssen dürfen, die Putzfrau aber nicht? Mag sein, dass das auch den Betreibern richtig erscheint, wenn es ihnen aber falsch erscheint, scheint es mir falsch, ihnen per Gericht eine karnivore Putzfrau aufzudrängen. Sollen sich nicht so haben, die Veganer, verputzt die Putzfrau halt in ihrer Pause ein Schinkenbrötchen, ist doch ihr gutes Recht. Oder nicht? Man setze für Veganer Katholiken, für Putzfrau Krankenschwester und fürs Schinkenbrötchen Atheismus. Ist es nicht egal, woran die Pflegekraft glaubt oder nicht, solange sie ihre Arbeit gut macht?
Mag sein. Aber muss es einem egal sein? Muss es den „Trägern“ der jeweiligen Einrichtung egal sein? Gehört zum Pluralismus nicht auch, dass man ihn für sich und das eigene Tätigkeitsfeld ablehnen darf? Gibt es nicht ein Recht darauf, frei zu bestimmen, mit welchem Personal man eine weltanschaulich oder religiös markierte Einrichtung betreiben will? Solange Weltanschauungen und Religionen selbst als frei gelten (was Grenzen hat und hoffentlich bei beispielsweise Rassismus oder Satanismus nicht der Fall ist; oder wer möchte, dass Teufelsanbeter Kindergärten betreiben und Rassisten Altenheime?), solange also Weltanschauungen und Religionen frei sind, muss diese Freiheit auch die Möglichkeit der ihnen Anhängenden implizieren, unter sich bleiben zu können.
Ein Recht hingegen, von Menschen in Lohn und Brot gebracht und gehalten zu werden, deren grundsätzliche, lebensweisenrelevante Überzeugungen man nicht teilt, die aber Bedingung dafür sind, dass die Arbeitsstelle überhaupt existiert, ein solches Recht jedenfalls kann es nicht geben, wenn damit das grundlegende Recht auf freie Ausübung der jeweiligen Weltanschauung oder Religion eingeschränkt wird.
Natürlich wird es früher oder später zu dieser Einschränkung kommen. Dem säkularen Staat sind Christen, die allzu überzeugt von ihren Überzeugungen sind, ein Gräuel. Er wird alles gutheißen, was ihre Autonomie faktisch untergräbt und ihre Abgrenzung von einer pluralistischen Gesellschaft, in der Überzeugungen egal sind, Hauptsache du funktionierst, diskreditiert. Der Staat hat immer Recht und bestimmt darüber, Rechte hat und welche und wer nicht. Wenn sich das die Veganer gefallen lassen, sind sie selber schuld.

Samstag, 11. November 2017

Montag, 6. November 2017

Inmitten von Gut und Böse

In einer Welt lebend, in der Menschen es sich seit jeher zur Gewohnheit gemacht haben, Menschen zu quälen und zu töten, zu entrechten und zu verdummen, zu entwürdigen und auszubeuten; in einer Welt, in der auch das, was man „natürliche Ressourcen“ nennt verschwenderisch ausgebeutet und sinnlos zerstört wird; in einer Welt, in der Schönes in den Schmutz gezogen, Weises verlacht, Anständiges ignoriert oder korrumpiert wird, während Hohles, Dumpfes, Närrisches, Anstößiges begierig herumgezeigt und inbrünstig verherrlicht wird; mit anderen Worten: in einer Welt lebend, in der das Gute schwach, aber notwendig, das Böse und Unnötige hingegen stark zu sein scheint, verstehe ich nicht, was (außerhalb fachphilosophischer Diskussionen über Nietzsche) die Rede von einem „Jenseits von Gut und Böse“ denn heißen soll.
Wie um alles in der Welt kann man als fühlendes und denkendes Wesen nicht die Partei des Guten ergreifen und das Böse verurteilen wollen? Mag sein, dass die Unterscheidung nicht immer gleich leicht ist. Aber Gewissen, Geschmack und Anstand dürften, wo sie nicht gänzlich abtrainiert sind, als Richtschnüre auch dem genügen, den komplizierte ethische Diskussionen langweilen oder überfordern. Dass man sich mit den Übeln dieser Welt nicht abfinden soll, liegt in der Natur der Sache. Ebenso, dass man nicht so tun darf, als sei Böses gut oder weder gut noch böse.
Es stimmt zwar, dass falsche oder falsch angewendete Moral Schaden anzurichten vermag; aber Mangel an Moral und explizite Moralverweigerung können das auch. Zu viel Willen, das Richtige zu tun, gibt es also schwerlich, offensichtlich eher das Gegenteil.
Wie man angesichts des Übels in der Welt nicht aus ganzem Herzen dagegen sein kann, verstehe ich nicht. Und ich verstehe übrigens auch nicht, wie man, angesichts dieses ungeheuren Übels und seiner wenigstens scheinbaren Übermacht, die doch so schmerzlich erfahrbar ist, nicht an eine völlig gute „höhere Macht“ glauben will, die das letzte Wort haben muss, nicht nur, weil daran Bedarf und weil Verlangen danach besteht, sondern aus Einsicht in die unbedingte Notwendigkeit. Freilich, Glaube lässt sich nicht aus Vernunftgründen ableiten, sonder muss der persönlichen Erfahrung des Guten stammen, das es ja eben auch gibt. Nur dass es auf Erden, also im sogenannten „Diesseits“, nicht überall sehr beliebt zu sein scheint.
Wie aber an all der Dummheit und Niedertracht der Mitmenschen nicht verzweifeln, ohne auf das Dasein des vollkommen Guten zu vertrauen? Wie die eigene Endlichkeit und vor allem die der anderen ertragen, ohne darauf zu hoffen, dass am Ende alles gut wird? Und wie soll alles gut werden ohne Gott?

Montag, 30. Oktober 2017

Nicht gelesen zu werden ist vermutlich besser als gelesen zu werden, denn wie die Erfahrung zeigt, lesen die Leute in das, was man geschrieben hat, allerhand hinein, was nicht darin steht, und ignorieren vieles, was sie darin hätten lesen können. Es geht dabei nicht um Missverständnisse, die sich hätten vermeiden lassen, wenn man klarer und deutlicher geschrieben hätte, sondern um eine grundsätzliche Unfähigkeit, einen Unwillen, sich von Texten etwas sagen zu lassen, was man so nicht erwartet hat. Man mag so verständlich und unmissverständlich schreiben, wie es nur möglich ist, die Leute werden immer nur das lesen, was sie bestätigt, und nie das, was sie in Frage stellt. Und selbst sie offen und zugänglich sind, wenn sie Kritik schätzen, wünschen sie sich, dass das kritisiert werde, was sie (an anderen und an sich selbst) ohnehin nicht mögen.
Manchmal muss man harte Entscheidunge treffen, zweifellos, Entscheidungen, mit denen man sich keine Freunde macht, die aber von der Sache her notwendig zu sein scheinen. Jene Leute jedoch wollen sich bloß den Anschein geben, hart und entschieden zu sein, um sich beliebt zu machen. Was sie vorhaben, entbehrt der sachlichen Notwendigkeit. Man soll von ihnen denken, dass sie bereit seien, notfalls auch über Leichen zu gehen, freilich ohne für einen einzigen Toten die Verantwortung zu übernehmen. Was sie treiben, ist das Gegenteil von Politik, sofern man darunter die Kunst versteht, das Zusammenleben aller zu gestalten. Sie fördern ein Gegeneinander, um auf Kosten vieler einige zu begünstigen. Den vielen machen sie vor, dass gerade sie zu den Begünstigten gehören. Damit der Betrug nicht auffällt, vergiften sie die Stimung und machen das entscheidende Angebot: hassen zu dürfen, auf Kosten anderer sich selbst aufzuwerten, auf andere hinunterzusehen.

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Ein paar einfache Dinge, die ich stattdessen* lieber gesagt hätte

Alle sind für Demokratie. Warum eigentlich? Was wollen wir, wenn wir Demokratie wollen? Was meinen wir, wenn wir von Demokratie sprechen? Alle dasselbe?
Manche verwechseln Demokratie mit Rechtsstaat und der Geltung von Grundrechten. Aber in einer Diktatur kann (theoretisch) die Regierungstätigkeit strikt an Gesetze gebunden sein und eine unabhängige Justiz existieren. Umgekehrt ist Demokratie auch ohne allgemeine Menschenrechte denkbar (siehe antikes Griechenland). Was also ist Demokratie?
Manche verwechseln Demokratie mit Wahlen und Abstimmungen, mit dem Mehrheitsprinzip. Dieses aber ist nichts als die (erfreulicherweise) zivilisierte Form des Rechts des Stärkeren, das ja aber bekanntlich kein Recht ist. Es gibt andere Formen der Demokratie, die ohne Repräsentation bzw. Machtdelegation auskommen (Basisdemokratie) und in denen keine Mehrheiten und Minderheiten gebildet werden (Konsensdemokratie). Was also ist Demokratie?
Die allgemeinste Bestimmung dessen, was Demokratie ist, lautet: Die, die regiert werden, müssen dem Regiertwerden zustimmen. Aber das kann ja wohl nicht alles sein, warum alle Demokratie wollen. Was macht Demokratie so begehrenswert?
Demokratie scheint das größtmögliche Maß an Selbstbestimmung zu gewähren. Der Anspruch lautet: Es gibt zwar eine Regierung, aber diese wird „letztlich“ durch die bestimmt, die regiert werden, sie regieren sich also im Prinzip selbst.
Einmal abgesehen davon, dass dieses Demokratieverständnis („Der Staat sind wir alle“) reale Machtverhältnisse ignoriert, die zum Beispiel durch massive ökonomische Ungleichheit auch eine entscheidende Ungleichheit hinsichtlich politische Teilhabe und Mitbestimmung bewirkt, ist das darin Gewünschte durchaus legitim: Selbst über die eigenen Angelegenheiten bestimmen zu wollen. Und zwar zusammen mit den anderen, die es auch angeht.
Zu Ende gedacht wäre Demokratie also Anarchie: herrschaftsfreie Gesellschaft, kein Mensch herrscht über einen anderen.
Das ist nicht innerhalb des politische Systems oder durch dieses zu erreichen. Die herkömmlichen Repräsentativdemokratie steht der Anarchie im Wege. Sie muss umgangen werden. (Mehr direkte Demokratie ändert daran nichts, wenn das Wahlvolk derselbe autoritätshörige Haufen ist; im Gegenteil, es könnte mehr Populismus bedeuten: formelle „Demokratie“ ohne Freiheit.)
Ziel und Mittel ist die gemeinschaftliche Selbstermächtigung aller und jedes Einzelnen. Jeder soll im Rahmen seiner Möglichkeiten und Bedürfnisse mitentscheiden. Das kann nur in überschaubaren Einheiten geschehen. Aus ihnen sind durch Vernetzung größere Einheiten zu bilden. Konsens und Kompromiss müssen praktisch erlernt werden: Wie entscheiden wir so, dass niemand überstimmt, niemand übervorteilt, niemand ausgegrenzt wird? (Ausgegrenzt werden nur konsensuell als destruktiv Erkannte: Rassisten, Hetzer usw.) Das erfordert Kreativität und Vernunft.
Der Nationalstaat ist nicht die Maßeinheit, in der echte Demokratie praktiziert werden kann. Es muss einerseits größer, andererseits kleiner gedacht werden: lokal und global und mit allem sinnvoll Verbindenden dazwischen. Die affektive Bindung an Illusionen wie „mein Land“, gar „mein Volk“ steht dem im Wege und muss überwunden werden. Zusammengelebt werden muss mit all denen, die wirklich da sind (oder dazukommen), nicht mit einer imaginären homogenen Kommunität.
Demokratie ist nichts, was es schon gibt, sondern etwas, das (ohne fertige Rezepte, aber womöglich mit wohlüberlegten Modellen) erst in der Praxis entwickelt werden muss. Damit kann jederzeit begonnen werden. Es ist schon begonnen worden. Es käme darauf an, die ganze Gesellschaft nach und nach daran auszurichten.

* Am 12. Oktober 2017 war ich in der Talkshow „Talk im Hangar 7“ zu Gast. Das war eine sehr interessante Erfahrung und bestätigte meine Erwartungen: Dass Talkshows sinnloses Gequassel sind, bei dem niemand wirklich zu Wort kommt und keine relevanten Dinge besprochen werden können. Und dass die sachhaltigen und lustigen Gespräche stattfinden, wenn Kameras und Mikrophone ausgeschaltet sind. Mit meiner eigenen Rolle in der Show war ich nicht zufrieden. Weder wurde ich richtig vorgestellt, noch kam ich in angemessener Weise zu Wort. Es liegt mir nicht, mich auf Kosten des Geltungsbedürfnisses anderer durchzusetzen, zumal wenn ich den Eindruck habe, dass ohnehin alles in die falsche Sichtung läuft. So blieb das, was ich vielleicht gern gesagt hätte, in der Sendung ungesagt. Ich trage es hier nach.

Dienstag, 3. Oktober 2017

Geständnis zum Ende des schwulen Buchhandels

Zeit für ein Geständnis. Ich bin einer von denen … denen das Herz bricht, wenn sie an irgendeinen für immer geschlossen Buchladen denken; die von Meldungen vom Aufgeben schwuler Buchläden irgendwo auf der Welt am Boden zerstört werden, auch wenn sie nie dort waren; die biblioman (nicht bibliophil) sind und mehr Bücher kaufen, als man lesen kann, deren Wohnung überquillt von bedrucktem Papier wie eine schlecht geordnete Bibliothek und die trotzdem nicht aufhören können, zu viel Geld für zu viele Bücher, Broschüren, Zeitschriften, Zeitungen auszugeben. 
Und ich bin ein Extremist. Mit erschreckenden Wünschen. Ich möchte in jeder Großstadt fünf schwule Bauchläden und in den Universitätsstädtchen sieben. Ich möchte, dass sie sich bekriegen, na ja, dass sie unterschiedlich ausgerichtet sind und das auch zeigen. Ich möchte, dass sie alle florieren, auch die angeschlossenen Cafés, Galerien, Verlage. Und ich möchte bei ihnen allen einkaufen können, mit den Buchhändlern Gespräche von connaisseur zu connaisseur führen und das Zweitschönste, was es auf der Welt nach den Männern gibt, vor Ort ausgiebig genießen: Bücher. Träumen darf man ja. Das ist immer kontrafaktisch und anachronistisch. Aber wie gestaltetet man Realität und wozu?
„Eine Zukunft ganz ohne schwule Buchläden ist vorstellbar. Aber wer will sie?“ Habe ich geschrieben, um die Frage zu provozieren: Wer will sie nicht, diese Zukunft? Warum nicht? Aus Gewohnheit und Sentimentalität beispielsweise? Weil jenseits eines an der gesellschaftlichen Realität Geschäftsmodelles manche gerne Bücher verkaufen und kaufen, wie sie es früher schon gemacht haben? Gibt es eine Zukunft für schwule Buchläden (oder meinetwegen LGBTIQsternchen-Bookshops), die diese als Orte lebendiger Auseinandersetzung notwendig erweist und nicht bloß als interaktive Museen der Mediengeschichte?
Dass es einige gibt, die die verbliebenen schwulen Buchläden gerne erhalten sehen möchten, steht außer Frage. Aber wer braucht sie? Und wofür? Oder ist das falsch gefragt …? Mir scheint, eine befriedigende Antwort wird es erst geben, wenn es nicht nur gelingt (wofür auch ich sehr bin!), Bestehendes zu erhalten, sondern wenn irgendwann ein neuer schwuler Buchladen aufmacht und sich hält. Träumen darf man ja.

Montag, 2. Oktober 2017

Zum Ende des schwulen Buchhandels

„In den 70er Jahren haben die Schwulen über ihre Verhältnisse gelesen.“ Mit diesen Worten hat Joachim Bartholomae einmal Martin Dannecker zitiert. (Der sich auf Nachfrage nicht daran erinnern konnte, das je gesagt, geschweige denn geschrieben zu haben.) Das ist ein wunderbarer Satz, ein schrecklicher. Wunderbar, weil er eine retrospektive Utopie benennt, schlichter gesagt: eine ehemalige Möglichkeit anderer Zustände. „Über ihre Verhältnisse“. das kann ja beides meinen: darüber, wie ihre Verhältnisse sind; und: mehr, als ihnen eigentlich hätte möglich sein sollen, mehr, als eigentlich zu erwarten war, mehr, als ihnen zugestanden wurde (analog zu „jemand lebt über seine Verhältnisse“).
Es gab also Zeiten, da war das geschriebene Wort, auch und gerade das in Bücher gedruckte, ein wesentliches Medium der Verständigung und Selbstverständigung, Teil jener Selbstermächtigung, die Emanzipation sein wollte. Nicht nur für einzelne, versprengte, verborgene Leser, sondern für „die Schwulen“ überhaupt, also — ohne den etwas haltlosen und zu Recht aus anderer Sprache geborgten Ausdruck „community“ bemühen zu wollen — für eine unbestimmte, aber spürbare Zahl von solchen, die gerade als Leser und wohl eben unter anderem auch durch ihre Leserschaft aus der Vereinzelung, Versprengung, Verborgenheit heraustraten und zu einem wenigstens imaginären Kollektiv wurden, das nach und nach eine Geschichte bekam und damit womöglich auch eine Zukunft hatte. Das also ist das Wunderbare an dem zitierten Satz, dass es offenbar eine Zeit gab, in der Schwule über ihre Verhältnisse lasen; das Schreckliche daran ist, dass es damit offensichtlich vorbei ist. Und zwar nicht erst seit heute.
Als Inizialzündung dessen, was sich als Bewegung begriff, gilt in Deutschland ein Film. Aber ohne Zeitschriften und Bücher wäre nichts weiter passiert. Und nicht ohne die Orte, an denen ganz besondere Zeitschriften und Bücher nicht nur verkauft, sondern vermittelt wurden. Der schwule Buchladen als Ort der Begegnung, ausnahmsweise nicht primär zwecks sexueller Kontaktaufnahme, sondern der emotionalen und intellektuellen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, in der solche Läden Inseln, Schutzräume und Archive waren, mit anderen und mit sich selbst; der schwule Buchladen als harmloseste Form der Kommerzialisierung des Begehrens; der schwule Buchladen als natürliches Biotop für ein studentisches Milieu ebenso wie als Anlaufstelle für bildungswilliges Bürgertum; der schwule Buchladen als Symbol und Realität einer gewissen Präsenz wenigstens in gewissen Großstädten — der schwule Buchladen also war unersetzbar.
Das blieb er nicht. Die Themen wurden andere, die Vergesellschaftungsformen, die gesellschaftlichen Reaktionen, das Kaufverhalten. Die AIDS-Krise kam, die Entpolitisierung, das Reaktionärwerden des Politischen. Emanzipation als Ansatz, der immer viel Rhetorik, Analyse und erwerbbare Kenntnisse voraussetzt, also auch Bücher, wurde durch Integration als Ziel ersetzt, das sich als voraussetzungslos gibt und mehr praktisch veranlagt ist. Literatur hörte auf, Herausforderung für wen auch immer durch was auch immer zu sein und kehrte dazu zurück, das zu sein, was sie im behaglich eingerichteten Bürgertum immer gewesen war: Sie wurde wieder zu Dekoration. Kleine Buchläden jedweder Ausrichtung und auch ohne irgendeine wurden von Ladenketten und dem Internet verdrängt, geschluckt, ersetzt. Niemand braucht heutzutage mehr schwule Buchläden, außer allenfalls den Buchhändlern, versteht sich, und einer Handvoll leicht anachronistischer Stammkunden.
Kaum jemand hat heutzutage noch Interesse, Bedürfnis, Kraft und Lust, über seine Verhältnisse zu lesen. Das Buch ist kein Schatz mehr, den man auf Grund besonderer Berufung an verstecktem Ort entdeckt, und dessen märchenhafter Reichtum einen aus den gegebenen Verhältnissen herauszureißen verspricht. Es ist Ware, Accessoire, Unterhaltungsstoff, Informationsmedium. Der Zauber ist verflogen. Der schwule Buchladen ist funktionell von der Filiale der Buchhandelskette nicht zu unterscheiden. Das Geschäft findet vor allem im Netz statt.
Gewiss kann man versuchen, zu retten, was zu retten ist. Viele mussten aufgeben, wenige halten sich noch. Vielleicht noch ein bisschen länger. Aber man kann die Uhr nicht zurückdrehen. Wenn man draufschaut, sieht man, wie spät es ist. Schon so spät? Zu spät gar? Früher war nicht alles besser, aber es ging um anderes. Die Uhr der Lesenden geht immer ein bisschen nach, aber das macht nichts, weil sie nie nur die heutige Zeit anzeigt. Eine Zukunft ganz ohne schwule Buchläden ist vorstellbar. Aber wer will sie?

Sonntag, 24. September 2017

Die Grundlage der Demokratie

Naturgemäß schmeichelt es der Eitelkeit des braven Bürgers, wenn er alle paar Jahre angeblich nach seiner Meinung gefragt wird und er sich einreden darf, seine Stimme zähle. Er blendet dann jede Erfahrung und Vernunft aus, die ihm eigentlich sagen müssten, dass all die Wählerei in einer stabilen Demokratie nichts bewirkt. Er hält es für sein Recht und seine Pflicht, mit der Masse zu marschieren. Und da es ihm nicht an Überzeugungen, aber womöglich an deren Abbildung durch die überzeugungslosen Parteien mangelt, nimmt er seine Auswahl mit Unbehagen vor. Das gilt ihm als Zeichen von sorgfältiger Durchdachtheit, dabei ist es das Gegenteil. Die Wahl des kleineren Übels ist stets die Wahl eines Übels. Warum derlei tun, was zwingt einen, was drängt einen? Demokratie bedeutet, dass die Regierten dem Regiertwerden zustimmen müssen. Nie vorher in der Geschichte menschlichen Zusammenlebens gab es solche Niedertracht. Frühere Herrscher gründeten ihre Ansprüche auf nackte Gewalt oder göttlichen Ratschluss oder beides. Erst der moderne Staat verlangt nicht nur Unterwerfung und Loyalität, sondern auch die Identifizierung der Beherrschten mit dem Herrschaftssystem: Der Staat, das sind wir alle. Die Lüge, die das bedeutet (weil der Staat kein Gemeinwesen ist, sondern dessen Ausbeutung und Niederhaltung), wird zur Wahrheit durch die aktive Partizipation. Keine Herrschaft ist stabiler als die, die die Beherrschten über sich und einander ausüben. Die herrschenden Verhältnisse sind eben nichts anderes als die Summe der Verhältnisse aller zu allen, und wenn eine ausreichende Zahl Vergesellschafteter sich so verhält, als seien die Normen und Regeln des Staates ihrer eigenen, dann wird Repression weitgehend unsichtbar, weil sie im Subjekt selbst stattfindet. Wer unter diesen Umständen wider den scheinbar stumpfen Stachel löckt, gilt wahlweise als verbrecherisch oder verrückt, also jedenfalls „verantwortungslos“. Innerhalb des Systems darf man wählen, das System selbst, die politische Marktwirtschaft, der Kapitalismus der Meinungen und Machtverhältnisse, mit einem Wort: die Demokratie, die kann nicht gewählt werden. Anders gesagt, es kann überhaupt nur Demokratie gewählt werden, denn wenn die Wählerei als Inbegriff der demokratischen Partizipation gilt, dann ist jede Entscheidung, egal wofür, eine Entscheidung für die bestehenden Verhältnisse, also für Unrecht, Entwürdigung, Ausbeutung und Zerstörung, dafür, dass Reiche reicher und Arme in Schach gehalten werden und die Spießer ihre Komfortzone nicht verlassen müssen.

Wählerei oder nicht (4)

Wer ein politisches System befürwortet, das dafür sorgt (oder es zumindest zulässt), dass Nazis im Parlament sitzen, kann auch gleich den Nazis seine Stimme geben. Wählen gehen und AfD-Wählen ist im Prinzip dasselbe.

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In ihrer Verzweiflung, weil sie nicht wissen, was sie sonst wählen sollten, wollen manche der „Linken“ ihre Stimme geben, denn irgendwas wählen muss man ja, sonst ist die Demokratie in Gefahr. Mit anderen Worten, sie wählen jene Partei, die (damals noch unter dem Namen KPD) maßgeblich an der Zerstörung der Weimarer Republik beteiligt war, um die Berliner Republik zu schützen …
 
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Obszönerweise zerren manche Politiker gern ihre Kinder mit ins Wahllokal, wo die lieben Kleinen dann auch die Zettelchen in das Ürnchen werfen dürfen. (Vorzugsweise vor laufender Kamera.) Dabei sollte man Kinder doch anständigerweise vor solchem Schmutz bewahren. Wenigstens bis sie wahlberechtigt sind und sich selbst entscheiden können, das alberne Spektakel abzulehnen.
 
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Die anderen lügen wahrscheinlich. Aber den AfD-lern glaube ich, dass sie wirklich so dumm und niederträchtig sind, wie sie es versprechen.
 
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Erschreckend, dass so viele zu doof zum Nichtwählen sind.

„Unrichtige“ Nazis?

Das seien gar keine Nazis, heißt es immer wieder, und man verharmlose die richtigen Nazis, wenn man jene als diese bezeichne. Nun, die Nazis von 1920 hatten auch noch keine Millionen Juden umgebracht und waren schon ganz richtige Nazis.

Donnerstag, 21. September 2017

Visibilità

Zwei Männer, Typ Sportskanone, gehen neben einander die Straße entlang. Ich sehe sie von hinten. Wegen eines Bauzauns wird das Trottoir ein Stück weit gleichsam zum Tunnel. Da legt der eine dem anderen die Hand auf die Hüfte. Am Ende des Tunnels nimmt er sie wieder weg.

Sonntag, 17. September 2017

Wählerei oder nicht (3)

Die Behauptung, man müsse wählen gehen, weil das Stimmrecht ein Privileg sei, auf das viele, die es nicht haben, auch nicht nicht verzichten könnten, folgt derselben Logik wie die Aufforderung, sich auf eine Bank zu setzen, die mit „Nur für Arier“ beschriftet ist, weil nur defätistische Schnösel das Privileg nicht nutzten, keine Juden zu sein. 

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Wer es für ein gutes Argument hält, zu sagen, man müsse wählen gehen, damit bestimmte Parteien von der Parteinfinanzierung profitierten, hat sein Hirn wohl beim letzten Mal in der Wahlkabine abgegeben.

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Dass so viele Leute sagen, eigentlich gebe es für sie nichts Wählbares, aber wählen gingen sie selbstverständlich trotzdem, ist dermaßen deprimierend!

Notiz zur Zeit (166)

„Die Anführer aller Bundestagsfraktionen sprechen sich für eine längere Legislaturperiode aus. Bundestagswahlen soll es demnach nur noch alle fünf Jahre geben.“ Warum hört denn niemand auf mich? Ich fordere seit langem: Wahlen alle 25 Jahre müssen genügen. Nur so wird sichergestellt, dass Politiker nicht übermäßig durch Äußerungen des Volkswillens (und äußere der sich auch so bescheiden wie im Urnengang) belästigt werden.

Samstag, 16. September 2017

Wählerei oder nicht (2)

Wer wählen geht, ist mitschuldig. Und darf sich hinterher nicht darüber beschweren, dass Merkel regiert und die Nazis pöbeln.

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Wer im Ernst glaubt, durch irgendeine Stimmabgabe die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern, ist bescheuerter, als man in diesen Zeiten sein darf.

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Manche verantwortungsvolle Bürger meinen, man müsse wählen gehen, um wenigstens durch Erhöhung der Wahlbeteiligung den Prozentanteil der Nazis zu senken. Nach derselben Logik müsste man möglichst viel fernsehen, damit die Scheiße nicht nur von Asis geguckt wird.

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Und noch ein Spoiler: Wählt, was Ihr wollt, hinterher regiert sowieso Merkel.
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Wählen, um die AfD zu verhindern? Bisher saß im Bundestag niemand von denen. Und, wie war die Politik so? Und das gesellschaftliche Klima? So zu tun, als wäre das entscheidende Thema in Deutschland (in Österreich z.B. ist das anders) der organisierte Rechtspopulismus und nicht die real existierende Politik von CDU/CSU und SPD, ist erstaunlich doof.




Donnerstag, 14. September 2017

Notiz zur Zeit (165)

Zweifellos sind die verwüstenden Stürme und Fluten in den USA Gottes Strafe für religiösen Fundamentalismus.

Montag, 11. September 2017

Glosse LIX

… bis unter die Zähne bewaffnet. Hm. Kann mir gar nicht vorstellen, dass dort viel Platz ist.

Notiz zur Zeit (164)

Kaum verlässt der amtierende Papst Rom, hat die lange Trockenheit ein Ende und es regnet in Strömen. Ein Zeichen?

Sonntag, 10. September 2017

Wählen gehen, um die Rechtpopulisten zu verhindern?

Ganz abstrakt beschrieben: All die Jahre haben die Parteien X und Y (und ein paar zu Koalitionen benötigte Kleinparteien, die meist einen Aspekt von X oder Y besonders verkörpern) die Politik des Landes bestimmt. Mal miteinander mal gegeneinander. Längst sind X und Y einander sehr ähnlich geworden. Ihre Politik ist immer nur einfallslose Fortsetzung des Bestehenden. Nun gibt es seit einiger Zeit die Partei Z. Diese ist rechtspopulistisch, fremdenfeindlich, autoritär. Ihr Erfolg gründet auf den Ängsten, die sie schürt, und auf der Unzufriedenheit mit Missständen, die zum Teil tatsächlich bestehen. Z ist zweifellos widerlich und, wenn sie an die Macht käme, gefährlich.
Soll man nun, damit  Z im Parlament nicht allzu sehr vertreten ist — und die Z-Wähler sind sehr zum Wählen entschlossen —, X und Y wählen (und deren Derivate)?
Vernünftigerweise nicht. Denn X und Y sind für Verhältnisse verantwortlich, die Z möglich gemacht haben. 
Manche sagen, je höher der Stimmenanteil von  Z sei (nicht die Stimmenzahl! mit der haben sie sich abgefunden), desto eher werde, was Z sage und fordere, normalisiert. Aber liegt das nicht im Wesen der repräsentativen Demokratie? Kann man zugleich ein politisches System bejahen und dessen ganz normale Effekte nicht wollen?
Manche sagen, je höher der Stimmenanteil von  Z sei, desto mehr einschlägige Straftaten würden begangen. Die Frage ist, ob hier tatsächlich Wirkung und Ursache vorliegen oder ob nicht beides, hoher Stimmenanteil, hohe Zahl von Straftaten, Symptome zu Grunde liegender gesellschaftlicher Übelstände.
Was Z behauptet, ist größtenteils falsch. Was Z fordert, ist durchwegs verfehlt. Wenn aber Z die falsche Lösung für wirkliche Probleme ist, so sind X und Y das auf ihre Weise ebenso, denn sie haben diese Probleme ja verursacht oder zumindest nicht gelöst. Das werden sie realistisch gesehen auch in Zukunft nicht.
Wer X und Y (und deren Assistenzparteien) wählt, um kurzfristig Z ein bisschen zurückzudrängen, mag taktisch erfolgreich sein, strategisch schießt er sich ins Knie. Denn er doktert an einem Symptom herum, während ihn die Krankheit umzubringen droht.

Freitag, 8. September 2017

Notiz zur Zeit (163)

Ich glaube den Umfragen nicht, wonach die größten Ängste der Deutschen Terrorismus, Einwanderung, Islam usw. betreffen. Die größte Angst der Deutschen ist offensichtlich ein Fahrverbot für Diesel-Pkw.

Donnerstag, 7. September 2017

Wählerei oder nicht

Zugegeben: Wen und was die Leute wählen, finde ich oft noch scheußlicher, als dass sie überhaupt wählen.

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Spoiler-Alarm! Merkel bleibt auch nach der Bundestagswahl Kanzlerin und Vizekanzler wird irgendein Depp.

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Nicht versetzt den demokratischen Spießer so in Wut wie die Aufforderung zum Nichtwählen. Das hält er für „dumm“ (er versteht es nicht), „gefährlich“ (er fühlt sich davon bedroht) und „verantwortungslos“ (er ahnt, dass damit die Systemfrage gestellt wird). Aber ob es nicht doch dümmer, gefährlicher und verantwortungsloser ist, wenn nach dem heiligen Akt des Wählens Gestalten wie Trump, Merkel, Orbán usw. usf. regieren? Nur wer mit dem Status quo im Großen und Ganzen zufrieden ist, kann die real existierenden Demokratie für das politische Optimum halten.

Notiz zur Zeit (162)

Was für Herausforderungen! Nachdem die Leute in den USA heuer schon den Ausdruck „Antifa“ lernen mussten, werden sie sich womöglich auch noch mit dem Satz „Kein Mensch ist illegal“ konfrontieren müssen.

Mittwoch, 6. September 2017

Glosse LVIII

Er sitzt im Wohnzimmer seiner großen Altbauwohnung in der Marxvorstadt in München (…). (Die Zeit) Ich kenn mich in München nicht so gut aus. Liegt die Marxvorstadt neben der Engelsvorstadt?

Das demokratische Privileg des Stimmrechts

Die meisten Menschen auf der Welt sind von demokratischer Teilhabe ausgeschlossen. Sei es, weil sie in den „falschen“ Ländern leben, teils weil sie in den richtigen Ländern mit falscher Staatsbürgerschaft leben. Soll also, wer das seltene und kostbare Privileg demokratischer Rechte hat, dieses nicht unbedingt nutzen? Oder soll er vielmehr begreifen, dass dasselbe System, das ihn privilegiert, so vieler andere ausschließt? Wäre ja schön, wenn die, die wählen können, so wählten, dass die Ausgeschlossenen es nicht bleiben müssen. Wenn aber Demokratie bedeutet, dass hinterher Trump, Merkel oder Watschengesicht regieren, muss die Sache doch einen Haken haben, oder?
Die Dankbarkeit des Stimmviehs für das Geschenk der Obrigkeit, alle vier, fünf Jahre einmal muhen zu dürfen, ist deprimierend.

Glosse LVII

Ich staune immer wieder darüber, dass in Deutschland von Länder die Rede ist, von denen man anderswo noch nichts gehört hat, zum Beispiel Schina, Khile und Müanmar.

Donnerstag, 31. August 2017

Notiz zur Zeit (161)

Präsident Macrons „Reformen“: Bien sûr, gegen Arbeitslosigkeit hilft es, wenn Unternehmen bestehende Arbeitsverhältnisse leichter auflösen können. Wie es ja bekanntlich auch gegen Kopfschmerzen hilft, wenn man sich mit einem ausreichend großen Knüppel immer wieder auf den Kopf schlägt.

Nach einem anderen Gespräch über offene Grenzen

Diese Leute sollten doch, meinte D., bei sich zu Hause die Verhältnisse schaffen, die sie hier bei uns so gut fänden, dass sie unbedingt hierher wollten. Das sei eine gute Idee, erwiderte ich. Wer beispielsweise in Somalia unter Armut, Unbildung und einem Mangel an geregelten öffentlicher Strukturen leide, solle doch dort einfach Reichtum, Bildung und einen demokratischen Sozial- und Rechtsstaat schaffen, dann brauche er nicht mehr die lästige Reise durch Nordafrika und übers Mittelmeer auf sich zu nehmen. Überhaupt, fuhr ich fort, warum tun all die Leute dort unten nichts gegen Hunger und Elend, vermeidbare Krankheiten und Krieg? Hier in Österreich haben wir diese Probleme doch auch nicht, und das liege ja offensichtlich nicht daran, dass die Österreicherinnen und Österreicher klüger, geschickter oder fleißiger seien als irgendwelche Subalternen. Wir standen beide vor einem Rätsel.

Montag, 28. August 2017

Nach einem Gespräch über offene Grenzen

So unverblümt wie C. hat mir noch niemand ins Gesicht gesagt, warum er nicht „alle ins Land lassen“ will: „Wir müssen unseren Reichtum verteidigen.“ Er sagt das mit ironischem Unterton. Denn C. selbst hat keinen Reichtum, den er verteidigen müsste. Im Gegenteil, er lebt eher bescheiden von Deutsch-als-Fremdsprache-Kursen, zu denen Zuwanderer zwecks „Integration“ verdonnert werden. Im Unterricht stößt er auf Grenzen der Vermittelbarkeit. Was das immer gleiche Lehrbuch als Alltagssituationen vorschreibt, ist für einige seiner Schüler unbekanntes Terrain. Einige haben in ihrem Herkunftsland kaum eine Schule besucht. An manchen von ihnen prallt darum die immer gleiche Didaktik des Lehrbuchs ab. C. spricht von Grenzen der Integration. Dass es sich um die Beschränktheit seiner Vorgangsweise, seines Weltbildes, seiner Ansprüche handelt, sieht er nicht. Aber er spürt wohl, dass er sich in einer priviliegierten Situation befindet, die durch die bloße Präsenz der Subalternen in Frage gestellt wird. Er profitiert vom System, ohne groß etwas dazu beizutragen, darum verlangt er von anderen umso mehr. Sie sollen anders sein, als sie sind, damit er sein Leben nicht ändern muss. Andere haben Tausende von Kilometern unter oft unvorstellbaren Bedingungen zurückgelegt, bloß um einer kleinen Chance auf ein besseres Leben willen. C. schafft es sei Jahren nicht, aus seiner derzeitigen Wohnung in eine weniger laute, weniger heiße, weniger schäbige umzuziehen.

Samstag, 26. August 2017

Glosse LVI

Es ist ein Fehler, die EKD als Sprachpanscher des Jahres 2017 zu bezeichnen. Korrekt muss es heißen „Sprachpanscherin des Jahres 2017“.

Was die Berufung auf die verfassungsmäßige Ordnung betrifft

Wenn es immer etwas Schlechtes wäre, die verfassungsmäßig Ordnung zu ändern, dann regierte heute in Deutschland wohl Karl IX. aus dem Hause Habsburg-Lothringen gemäß der Goldenen Bulle von 1356.

Bemerkung zur Kritik an angeblich gewaltbereitem kritischem Journalismus

„Ja, aber die Aufrufe zu Straftaten …“ „Ja, aber die Gewalt …“ — Jeder Staat kann irgendwas zur Straftat erklären: Homosexualität, auf den Boden spucken, bewaffneten Umsturz. Das Gesetzwidrige ist aber nicht immer das Unmoralische. Kommt drauf an, wie man den Staat beurteilt. Wer die Obrigkeit lieb hat, mag es halt gar nicht, wenn man ihr widerspricht. Wer hingegen lieber in einer gewaltfreien Gesellschaft leben möchte, wird wohl einsehen, dass es Gewalt ist, die Gegengewalt hervorruft. Nicht obwohl, sondern weil ich persönlich Gewaltfreiheit befürworte, halte ich nichts vom Gewaltmonopol des Staates und darum nicht jeden, der ihm widerspricht, für kriminell.

Freitag, 25. August 2017

Grundsätzliche Bemerkung zu Terrorismus und Unrecht

Terroranschläge sind, wie der Name schon sagt, schrecklich. Jedes Opfer ist eines zu viel. Andererseits … auch wenn ich weiß, dass man Tote nicht mit Toten verrechnen kann: Jeden Tag verhungern auf der Welt mehr Menschen, als im ganzen Jahr durch terroristische Anschläge ermordet werden. Jeden Tag. Männer, Frauen, Kinder. Genauso unschuldig wie die Terroropfer. Verhungern. Das ist die Welt, in der wir leben. Wir fürchten uns vor Terrorismus und finden uns mit dem mörderischen Unrecht des Weltwirtschaftssystems ab. Ich will mich aber nicht damit abfinden.

Glosse LV

Was ist übrigens Todeskandidat für ein bescheuertes Wort? Als ob einer sich um seine Hinrichtung bewürbe oder um diese als Hauptgewinn in einer Quizshow spiele.

Notiz zur Zeit (160)

„Todeskandidat mit nicht erprobtem Narkosemittel hingerichtet.“ Nicht auszudenken, was da alles hätte schief gehen können!

Donnerstag, 24. August 2017

Antworten auf Fragen zum Nichtwählen

Weil sie im Internet auf Texte von mir zum Nichtwählen aufmerksam geworden sei, wandte sich Valerie Krb, Redakteurin bei der Zeitschrift  „News“, an mich mich der Bitte um ein Interview für einen Artikel über Österreichs Nichtwähler. Ich sagte zu unter der Bedingung, nicht in ein Mikrophon stammeln zu müssen, sondern schriftlich antworten zu dürfen. Hier sind die Fragen von Frau Krb (kursiv) und meine Antworten. Was von dem Interview übriggeblieben ist, kann in der „News“-Ausgabe 35 vom 8. September 2017 nachgelesen werden.
 
Wann waren Sie das letzte Mal wählen?
Bei der letzten Bundespräsidentenwahl (bei jedem Wahlgang). Ich wollte mir nicht hinterher nachsagen lassen, ich hätte Hofer nicht zu verhindern versucht.

Wie oft haben Sie insgesamt schon gewählt? Was haben Sie gewählt (wenn Sie es angeben wollen)?
Zum ersten Mal 1986 gegen den Reitersmann von der SA, Jahre später gegen die Krampflächlerin und zuletzt wie gesagt gegen den Korblumenblauen. Wahlen, bei denen Person gegen Person steht, leuchten mir eher ein, Parteienwahlen nicht. Und ich habe gegen eine niederösterreichische Landeshauptstadt und selbstverständlich für den EU-Beitritt abgestimmt. Weiters: Klassensprecherwahl, ÖH-Wahlen, Wahl des Vertrauensmannes im Zivildienst: Dabei habe ich immer für mich gestimmt und bin durchaus auch gewählt worden. Wahlen, die ich gewinne, sind mir die liebsten.

Warum gehen Sie nicht wählen?
Ich lehne das politische System ab. Wie heißt es so richtig: Wenn Wahlen etwas verändern könnten, wären sie verboten. Dass Menschen über ihre eigenen Angelegenheiten selbst bestimmen sollen, könnte eine feine Sache sein. Aber wo meine Stimme nur eine von Millionen ist, geht es nicht um Demokratie, sondern um Statistik. In Wahrheit holen sich die Mächtigen bei Wahlen bloß die Zustimmung der Mehrheit der Leute dazu ab, dass sie an deren Stelle regieren. Alle vier, fünf Jahre soll man den Parteien einen Blankoscheck ausstellen. Nicht mit mir! Wenn Politiker (oder Journalistinnen) meine Meinung oder meine Wünsche wissen wollen, dürfen sie mich gerne fragen. Aber als anonymes Stimmvieh bin ich mir zu schade.

Mit welcher Partei sympathisieren Sie am ehesten?
Mit absolut keiner. Allenfalls mit Jaroslav Hašeks „Partei für gemäßigten Fortschritt in den Schranken des Gesetzes“, aber die besteht nicht mehr, fürchte ich.

Wie müsste eine Partei sein, damit Sie sie wählen bzw. wie müsste sich das System ändern, damit Sie wählen gehen?
Das System der Abstimmungsdemokratie, in dem (angeblich) die Mehrheit entscheidet, ist doch nur eine Variante von „Der Stärkere setzt sich durch“. Aber so wenig der Stärkere im Recht ist, so wenig ist es die Mehrheit. Wer sagt denn, dass es nicht mehr Trotteln gibt als G’scheite? Die Lebenserfahrung lehrt ja das Gegenteil … Stattdessen plädiere ich für Basisdemokratie und Konsensprinzip: Jeder muss bei einer gemeinsamen Entscheidung zustimmen oder wenigstens nicht dagegen sein, keiner kann überstimmt werden. Ja, ich weiß, das geht nur in kleinen Einheiten und erfordert „endlose“ Diskussionen. Na und? Soll man um der Effizienz und der raschen Resultate willen Rechte beschneiden und sich dem Stärkeren („Mehrheit“) unterwerfen? Warum nicht ein politisches System von unten nach oben aufbauen, getragen von gegenseitigem Respekt, einer Kultur der Konstruktivität und echter Verantwortung füreinander? „Wählen gehen“ entfällt dann naturgemäß.

Wahlpflicht: Was halten Sie davon?
Wahlpflicht fände ich lustig. Will man mich denn mit Gewalt zur Urne schleppen? Den Exekutor einen Strafbescheid eintreiben lassen? Mich fürs Nichtwählen ins Häfen stecken? Das zeigte dann wenigstens, wes Geistes Kind eine solche „Demokratie“ ist. Die Staatsgewalt erzwingt ihre eigene Legitimierung: Sag, dass du für unser System bist, sonst bist du ein Bösewicht.

Wie stehen Sie zu der Aussage: Nicht wählen ist gegen die Demokratie?
Wer bestimmt eigentlich, was „Demokratie“ ist? Warum gerade dem jeweils herrschenden Begriff folgen? Wenn unter Demokratie nicht einfach zu verstehen ist, dass die Regierten dem Regiertwerden zustimmen, sondern dass jeder zusammen mit den anderen davon Betroffenen gemeinsame Angelegenheiten gleichberechtigt entscheidet — dann wäre ich unbedingt für Demokratie! Eine „Demokratie“ jedoch, die nur Rechtfertigungsshow für bestehende Herrschaftsverhältnisse ist, die lehne ich ab. Ich in Anarchist. Ich will keine Herrschaft von Menschen über Menschen Auch der demokratische Staat aber ist ein Staat, und dessen entscheidende Funktion ist es, die Reichen reicher werden zu lassen und den Rest in Schach und halbwegs bei Laune zu halten. Wer da mitmachen möchte, bitte schön. Ich will es nicht.

Welcher Unterschied besteht für Sie zwischen Nichtwählen und Weißwählen? Haben Sie schon einmal weiß gewählt? Warum? Warum nicht?
Wer wählen geht, stimmt dem System zu, egal, was er wählt. Wer ungültig wählt, geht in der Statistik unter. Denn in der öffentlichen Diskussion interessieren nur vergebene Sitze, Koalitionsmöglichkeiten und allenfalls die Wahlbeteiligung. Weißwählen ist da die falsche Botschaft, der noch dazu niemand zuhört. Nur Wahlverweigerung wäre eine klare Ansage. Wer also trotz etwaiger Bedenken wählen geht, darf sich hinterher nicht darüber beschweren, was herauskommt, denn er hat ja vorab in das Verfahren eingewilligt.

Eine Studie von 2013 hat 6 Typen von Nichtwählern definiert: Frustrierte, Systemverweigerer, Enttäuschte, Gleichgültige, Verhinderte, Desinteressierte. Zu welcher würden Sie sich zählen? Oder kann man das nicht so einteilen?
Ich bin sicher nicht desinteressiert oder gleichgültig, auch nicht enttäuscht oder frustriert und war noch nie verhindert. Auch als Verweigerer würde mich nicht bezeichnen, denn man kann sich ja dem herrschenden System eigentlich nicht oder nie ganz verweigern. Ich würde mich (siebenter Typus) eher einen Systemkritiker nennen, einen aktiven Nichtwähler, der für Alternativen zum politisch-ökonomischen System eintritt: Etwa für einen herrschaftsfreien Sozialismus gemäß der alten Formel „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“. Oder wie Dürrenmatt sagt: „Was alle angeht, können auch nur alle lösen. Jeder Versuch eines einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.“ Unser Zusammenleben geht uns alle an, darum muss es vernünftigerweise als gleichberechtigte Teilhabe organisiert werden, politisch als konsensuelle Basisdemokratie statt als reale Machtverhältnisse verschleierndes Stellvertretertheater, ökonomisch als an Mensch und Umwelt orientierte Kooperation statt als profitgeile Konkurrenz und zerstörerische Ausbeutung.

Kleinparteien wie Roland Düringers GILT wollen v.a. Nichtwähler ansprechen. Fühlen Sie sich angesprochen?
Nicht die Bohne. Ich halte das für Wichtigtuerei. Es gibt kein richtiges Wählen im falschen politischen System. Solche Retortenparteien sind Placebo-Zäpfchen für unzufriedene Untertanen. Sie lassen das Dogma in Kraft, das da lautet: Wählen ist besser als Nichtwählen. Unsinn! Ich sage: Du sollst nicht wählen, denn das unterstützt letztlich immer die Falschen. Über das Entscheidende, nämlich, wem was gehört und wer an wessen Arbeit verdient, entscheiden Wahlen ohnehin nicht. Eine bessere Welt wäre möglich, aber nur gegen das System, nicht in ihm.

Montag, 21. August 2017

Es geht voran. Jeden Tag verachte ich, was man den Westen nennt, noch ein bisschen mehr.

Sonntag, 20. August 2017

Immer wenn jemand feierlich erklärt, fortan Facebook meiden zu wollen, denke ich: So wichtig ist das doch nun wirklich nicht.

Donnerstag, 17. August 2017

Notiz zur Zeit (159)

„Trotz der Insolvenz muss sich Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann keine Sorgen um sein Gehalt machen. Das ist durch eine Bankgarantie abgesichert.“ Uff, da fällt mir aber ein Stein vom Herzen. Soziale Marktwirtschaft ist eine so wunderbare Sache.

Montag, 14. August 2017

La mamma, sempre la mamma

„Traditionsgemäß in heimischen Landen geblieben ist in ihrem Urlaub unsere Kanzlerin (…„). (FAZ) In heimischen Landen? Sie verbringt ihren Urlaub doch in Südtirol. Ich wusste gar nicht, dass Frau Merkel Italienerin ist. Oder denkt die FAZ da schon sehr großdeutsch?

Donnerstag, 10. August 2017

Notiz zur Zeit (158)

Nicht dass viele Leute das Vertrauen in die deutsche Autoindustrie verloren haben, sondern dass überhaupt je jemand dieser Ausbeuter- und Umweltzerstörermafia vertraut hat, finde ich bedenklich.

Notiz zur Zeit (157)

Nicht, dass viele Leute das Vertrauen in die deutsche Autoindustrie verloren haben, sondern dass überhaupt je jemand dieser Ausbeuter- und Umweltzerstörermafia vertraut hat, finde ich bedenklich.

Mittwoch, 9. August 2017

Kommentar zur Literatur dieser Tage oder Strunden

„Ich möchte keine dicken Bücher schreiben. Wir leben im 21. Jahrhundert und die Menschen haben nicht viel Zeit zum Lesen. Unser Zeitverständnis hat sich verändert", sagt ein Autor. Scheiße, denke ich mir; ist das als Kommentar kurz genug?

Montag, 7. August 2017

„Das Gehirn ist eine Scheibe.“ Oder was meinen die Leute, wenn sie es eine Festplatte nennen?

Samstag, 5. August 2017

Notiz zur Zeit (156)

Warum unterschreibt eigentlich nicht die Italienischen Republik einen „Verhaltenskodex“, den ihr die mit Seenotrettung befassten NGOs vorgeben? Fänd ich irgendwie besser.

Notiz zur Zeit (155)

FDP, Scooter und Die Linke. Das nenn ich mal ne Volksfront.
 
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Das mit dem „Einkapseln“ (FDP-Chef Lindners Vorschlag zum Umgang mit der russländischen Annexion der Krim) ist zukunftsweisend. Zum Beispiel in der Personalentwicklung. „Tja, Herr Meyer, ich sehe in Ihren Unterlagen, Sie haben ein Dutzend Kinder mit dem Beil erschlagen. Was soll’s, das kapseln wir ein. Wir würden uns freuen, wenn Sie nächste Woche bei uns als Kindergärtner anfangen könnten.“
 
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Deutsche Unternehmen finanzieren die FDP. Deutsche Unternehmen machen gern Geschäfte mit Russland und stören sich darum an den Sanktiönchen. FDP-Chef Lindner möchte gern die Beziehungen zu Russland „normalisieren“ und Russlands Krieg gegen die Ukraine unter den Tisch fallen lassen. Wozu sich darüber aufregen? Es ist doch alles ganz erwartungsgemäß. Aufregen kann mich höchstens, dass Lindner der nächste Außenminister wird, weil irgendwelche Schwachsinnigen schon wieder die FDP gewählt haben.

Freitag, 4. August 2017

Notiz zur Zeit (154)

Im Skandal um schadstoffbelastetete Hühnereier aus den Niederlanden gibt der Landwirt-schaftsminister Entwarnung: Auch Eier aus deutscher Produktion sind belastet.
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen: Es gibt viel zu wenig Sprechverbote.

Notiz zur Zeit (153)

Ich kenne keinen Satz von X., der nicht dümmliches, aufgeblasenes Geschwätz gewesen wäre. Kein Wunder, dass er immer noch zu den beliebtesten Philosophen zählt.*

* Nein, dies ist keine Fußnote zu Platon.

Dienstag, 1. August 2017

Liste Beleidigte Leberwurst

Gestalten wie Peter Pilz finde ich einfach nur widerlich. Hätten seine Grünen Parteifreunde ihn wieder als Kandidtaen auf einem vorderen Listenplatz aufgestellt, würde er heute mit Verve Wahlkampf für die Grünen machen und es gäbe keine bessere Partei. Weil man aber verständlicherweise nach über drei Jahrzehnten endlich das Naserl voll von ihm hatte und ihn nicht wieder aufstellte, gründete die beleidigte Leberwurst Pilz eine eigene Liste, und plötzlich hat das grüne Urgestein allerhand an seiner bisherigen Partei zu kritisieren. Und entdeckt ganz zufällig Antiislamismus und damit Rassismus als populäre politische Themen. Als ob Österreichs Politlandschaft nicht eh schon vollgestellt wäre mit Gartenzwergen mit Superego, fahren die Leute natürlich auf das Spektakel ab. Kann gut sein, dass das die Grünen bei der Wahl einige Prozentpunkte kostet und damit Blauschwarz erst recht den Weg ebnet. Danke, Herr Pilz.

Donnerstag, 27. Juli 2017

Von der Flüchtlingskrise lernen

He, ich hab die Lösung für das Problem der Gentrifizierung! Die Menschen, die auf Grund zu hoher Mieten und zu geringen Einkommens ohnehin keine Chance haben, in guter Gegend zu wohnen, werden in „hotspots“ weit außerhalb der Städte von militärisch unterstützten Immobilienmaklern darüber aufgeklärt, dass es besser für sie ist, wenn sie und ihre Familien gar nicht erst versuchen, der Obdachlosigkeit zu entgehen.

Glosse LIV

„Stress ist die Geisel unserer Zeit.“ (FAZ) Aber wozu nimmt die Zeit den Stress als Geisel? Will sie damit das Esszett freipressen?

Sonntag, 23. Juli 2017

Notiz zur Zeit (152)

Wenn bei Trump das Begnadigen so gut klappt wie die der Muslim Ban, die Abschaffung und Ersetzung von Obmacare oder Finanzierung und Bau der Mauer gegen Mexiko, dann sollten sich die zukünftigen Betroffenen schon mal was Hübsches in Orange herauslegen.

Glosse LIII

Fackeltanz am Residenzplatz. Wäre es nicht, statt sich an Hauswänden entlangzudrücken, einfacher gewesen (und pyrotechnisch verantwortungsvoller), man hätte auf dem Platz getanzt?

Samstag, 22. Juli 2017

Notiz zur Zeit (151)

Doppelte Verrücktheit: 1. Die Leute sind ganz aus dem Häuschen, wenn sie Mitglieder des großbritischen „Königshauses“ begaffen können. 2. Befragt, was ihnen an denen gefällt, antworten sie, dass sie „so natürlich“, „so normal“, „so gar nicht abgehoben“, „so bürgernah“ seien. — Teuren Wein bestellen und sich freuen, wenn er wie Leitungswasser schmeckt.

Freitag, 21. Juli 2017

Notiz zur Zeit (150)

Scheint ein ehernes Gesetz der Geschichte zu sein: Die es aus ästhetischen Gründen am wenigsten sollten, entblößen sich in der Sommerhitze am meisten.

Donnerstag, 20. Juli 2017

Die „Helden vom 20. Juli 1944“?

Jenes Gesindel, das Hitlers Machtergreifung bejubelte und später Hitlers Krieg führte, dann aber, als der grandios verloren zu gehen drohte, den Karriereknick mit eigener Machtergreifung kompensieren wollte, als „Helden“ zu bezeichnen, ist lächerlich.

Was sich verändert hat

In meiner Jugend durfte man annehmen, dass der Irrsinn in der Welt darauf zurückgeht, dass Bösewichter regieren. Heute denke ich eher, dass das Böse in der Welt dazu führt, dass Verrückte regieren. Geherrscht wird von oben, aber die Macht kommt von unten. Die Leute sind auch Verführte, gewiss, aber es gibt eben auch diese Lust an der eigenen Mickrigkeit, die gern in Hass auf alles umschlägt, was die unbegründete Selbstzufriedenheit in Frage stellt oder stellen könnte. Das ist eine gute Grundlage für die Diktatur der Witzfiguren.

Mittwoch, 19. Juli 2017

Notiz zur Zeit (149)

Von 2010 auf 2016 steigerte sich der Anteil der Heterosexuellen unter denen, die den Berliner CSD besuchten, von 28 auf 42 Prozent. Bleibt es bei dieser Steigerungsrate, sind es noch vor 2030 100 Prozent. Ich halte das für eine gute Nachricht.

Notiz zur Zeit (148)

Der Tag, an dem zwischen „Missbrauchsvorwurf“ und „Missbrauchsfall“ unterschieden würde, ginge als Wendepunkt in die Geschichte ein.

Wer demonstriert hier wem?

Von 2010 auf 2016 steigerte sich der Anteil der Heterosexuellen unter denen, die den Berliner CSD besuchten, von 28 auf 42 Prozent. Bleibt es bei dieser Steigerungsrate, sind es noch vor 2030 einhundert Prozent. Ich halte das für eine gute Nachricht.

Dienstag, 18. Juli 2017

Notiz zur Zeit (147)

Das Gute an Erscheinungen wie Kurz und Sobotka (sofern man da überhaupt von Gutem sprechen kann) ist ja, dass man ihnen ihre Dummheit und Niedertracht auf den ersten Blick ansieht. Da gibt’s kein Vertun.

Montag, 17. Juli 2017

Notiz zur Zeit (146)

Wozu die Leute Zombiefilme brauchen, werde ich nie verstehen. Ich finde, die gewöhnlichen Fernsehnachrichten sind Horror genug.

Samstag, 15. Juli 2017

Notiz zur Zeit (145)

Fußfesseln für Gewalttäter? Aber würde das die Polizisten im Dienst nicht behindern?

Notiz zur Zeit (144)

Ein Konzert in der Elbphilharmonie mit Musik von Johann Sebastian Bach für beim G20-Gipfel im Einsatz gewesene Polizisten und ihre Angehörigen. Gute Sache. Nur das nächste Mal bitte vor dem Einsatz. (Bach läutert.) Oder, noch besser, stattdessen.

Freitag, 14. Juli 2017

Notiz zur Zeit (143)

Immerhin hat Bundeskanzlerin Merkel jetzt durchgesetzt, dass die Pandas, die Chinas Regierung an den Berliner Zoo verliehen hat, ab sofort Liu und Xiaobo heißen.

Donnerstag, 13. Juli 2017

Notiz zur Zeit (142)

Talkshow-Skandale. Früher gab’s Kinski. Heute gibt’s Bosbach. Früher war besser …
Ich bewundere immer wieder die Fähigkeit akademischer Akrobaten, sich selbst ins Hirn zu scheißen.

Notiz zur Zeit (141)

H.C. Strache hat das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen bekommen? Es muss ein Drecksland sein, das einen Dreckskerl ehrt.

Dienstag, 11. Juli 2017

Notiz zur Zeit (140)

„Schanze schlimmer als Auschwitz.“Na gut, das haben sie sich bis jetzt noch nicht zu schreiben getraut. (Aber ich.)

Nachtrag zum Fragment über die „marodierenden Banden“

Die Wut der Politiker und ihres journalistischen Trosses gegen die „marodierenden Banden“ erklärt sich mir aus dem Neid auf den Lustgewinn bei der karnevalistischen Sachbeschädigung. Neonazis, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden, sind einfach nur jämmerlich, mit denen mag man sich nicht identifizieren (auch wenn ihre Taten nur Effekte der eigenen Politik der rassistischen Abschottung sind). Randalierende Jugendliche hingegen, die sich nicht Schwächere, sondern die verkörperte Staatsmacht zum Gegner wählen und die die Grundlage des bürgerlichen Staates, das Eigentum, brutal missachten — die umweht ein Hauch von apokalyptischer Befreiung. Eben nicht nur für die Sympathisanten daheim auf der Couch und im Netz. Sondern gerade auch für die, die sie darum hassen. Die ganze Härte des Gesetzes soll jene treffen, die mehr Spaß haben als man selbst und die fremde Götter anbeten. Nur so kann man das gute Gewissen davor bewahren, heimlich Räuschen entgegenzufiebern, die den Gang der Geschäfte verwirren könnten. Gewalt (wenigstens im Wort) gegen Gegengewalt, das ersetzt dem staatstragenden Bürger die dionysische Erfahrung. Auch nichts Neues.

Etwas Grundsätzliches

Was mich am meisten ärgert, ist gar nicht die Scheiße selbst; die ist selbstverständlich widerlich und gehört weg. Sondern was mich am meisten ärgert, ist die massenhafte Zustimmung zum Beschissenwerden und die Lust am eigenen Bescheißen.

Aufgeschnappt (bei Max Frisch)

Dass mit Gewalt nichts zu verändern sei, das sagen auch die Inhaber der Macht. Man kann ihren Ärger verstehen, wenn es zu Unruhen kommt; zwar werden sie damit fertig, aber die gewaltlose Unterdrückung, Repressalie in Ruhe und Ordnung, ist ungefährlicher auch für sie, denn die Anwendung von Staatsgewalt hat immer etwas Aufreizendes, etwas Lehrreiches, sie bringt zum Bewusstsein, dass die Botschaft von der Gewaltlosigkeit immer an die Unterdrückten gerichtet ist.