Sonntag, 24. September 2017

Die Grundlage der Demokratie

Naturgemäß schmeichelt es der Eitelkeit des braven Bürgers, wenn er alle paar Jahre angeblich nach seiner Meinung gefragt wird und er sich einreden darf, seine Stimme zähle. Er blendet dann jede Erfahrung und Vernunft aus, die ihm eigentlich sagen müssten, dass all die Wählerei in einer stabilen Demokratie nichts bewirkt. Er hält es für sein Recht und seine Pflicht, mit der Masse zu marschieren. Und da es ihm nicht an Überzeugungen, aber womöglich an deren Abbildung durch die überzeugungslosen Parteien mangelt, nimmt er seine Auswahl mit Unbehagen vor. Das gilt ihm als Zeichen von sorgfältiger Durchdachtheit, dabei ist es das Gegenteil. Die Wahl des kleineren Übels ist stets die Wahl eines Übels. Warum derlei tun, was zwingt einen, was drängt einen? Demokratie bedeutet, dass die Regierten dem Regiertwerden zustimmen müssen. Nie vorher in der Geschichte menschlichen Zusammenlebens gab es solche Niedertracht. Frühere Herrscher gründeten ihre Ansprüche auf nackte Gewalt oder göttlichen Ratschluss oder beides. Erst der moderne Staat verlangt nicht nur Unterwerfung und Loyalität, sondern auch die Identifizierung der Beherrschten mit dem Herrschaftssystem: Der Staat, das sind wir alle. Die Lüge, die das bedeutet (weil der Staat kein Gemeinwesen ist, sondern dessen Ausbeutung und Niederhaltung), wird zur Wahrheit durch die aktive Partizipation. Keine Herrschaft ist stabiler als die, die die Beherrschten über sich und einander ausüben. Die herrschenden Verhältnisse sind eben nichts anderes als die Summe der Verhältnisse aller zu allen, und wenn eine ausreichende Zahl Vergesellschafteter sich so verhält, als seien die Normen und Regeln des Staates ihrer eigenen, dann wird Repression weitgehend unsichtbar, weil sie im Subjekt selbst stattfindet. Wer unter diesen Umständen wider den scheinbar stumpfen Stachel löckt, gilt wahlweise als verbrecherisch oder verrückt, also jedenfalls „verantwortungslos“. Innerhalb des Systems darf man wählen, das System selbst, die politische Marktwirtschaft, der Kapitalismus der Meinungen und Machtverhältnisse, mit einem Wort: die Demokratie, die kann nicht gewählt werden. Anders gesagt, es kann überhaupt nur Demokratie gewählt werden, denn wenn die Wählerei als Inbegriff der demokratischen Partizipation gilt, dann ist jede Entscheidung, egal wofür, eine Entscheidung für die bestehenden Verhältnisse, also für Unrecht, Entwürdigung, Ausbeutung und Zerstörung, dafür, dass Reiche reicher und Arme in Schach gehalten werden und die Spießer ihre Komfortzone nicht verlassen müssen.

Wählerei oder nicht (4)

Wer ein politisches System befürwortet, das dafür sorgt (oder es zumindest zulässt), dass Nazis im Parlament sitzen, kann auch gleich den Nazis seine Stimme geben. Wählen gehen und AfD-Wählen ist im Prinzip dasselbe.

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In ihrer Verzweiflung, weil sie nicht wissen, was sie sonst wählen sollten, wollen manche der „Linken“ ihre Stimme geben, denn irgendwas wählen muss man ja, sonst ist die Demokratie in Gefahr. Mit anderen Worten, sie wählen jene Partei, die (damals noch unter dem Namen KPD) maßgeblich an der Zerstörung der Weimarer Republik beteiligt war, um die Berliner Republik zu schützen …
 
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Obszönerweise zerren manche Politiker gern ihre Kinder mit ins Wahllokal, wo die lieben Kleinen dann auch die Zettelchen in das Ürnchen werfen dürfen. (Vorzugsweise vor laufender Kamera.) Dabei sollte man Kinder doch anständigerweise vor solchem Schmutz bewahren. Wenigstens bis sie wahlberechtigt sind und sich selbst entscheiden können, das alberne Spektakel abzulehnen.
 
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Die anderen lügen wahrscheinlich. Aber den AfD-lern glaube ich, dass sie wirklich so dumm und niederträchtig sind, wie sie es versprechen.
 
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Erschreckend, dass so viele zu doof zum Nichtwählen sind.

„Unrichtige“ Nazis?

Das seien gar keine Nazis, heißt es immer wieder, und man verharmlose die richtigen Nazis, wenn man jene als diese bezeichne. Nun, die Nazis von 1920 hatten auch noch keine Millionen Juden umgebracht und waren schon ganz richtige Nazis.

Donnerstag, 21. September 2017

Visibilità

Zwei Männer, Typ Sportskanone, gehen neben einander die Straße entlang. Ich sehe sie von hinten. Wegen eines Bauzauns wird das Trottoir ein Stück weit gleichsam zum Tunnel. Da legt der eine dem anderen die Hand auf die Hüfte. Am Ende des Tunnels nimmt er sie wieder weg.

Sonntag, 17. September 2017

Wählerei oder nicht (3)

Die Behauptung, man müsse wählen gehen, weil das Stimmrecht ein Privileg sei, auf das viele, die es nicht haben, auch nicht nicht verzichten könnten, folgt derselben Logik wie die Aufforderung, sich auf eine Bank zu setzen, die mit „Nur für Arier“ beschriftet ist, weil nur defätistische Schnösel das Privileg nicht nutzten, keine Juden zu sein. 

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Wer es für ein gutes Argument hält, zu sagen, man müsse wählen gehen, damit bestimmte Parteien von der Parteinfinanzierung profitierten, hat sein Hirn wohl beim letzten Mal in der Wahlkabine abgegeben.

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Dass so viele Leute sagen, eigentlich gebe es für sie nichts Wählbares, aber wählen gingen sie selbstverständlich trotzdem, ist dermaßen deprimierend!

Notiz zur Zeit (166)

„Die Anführer aller Bundestagsfraktionen sprechen sich für eine längere Legislaturperiode aus. Bundestagswahlen soll es demnach nur noch alle fünf Jahre geben.“ Warum hört denn niemand auf mich? Ich fordere seit langem: Wahlen alle 25 Jahre müssen genügen. Nur so wird sichergestellt, dass Politiker nicht übermäßig durch Äußerungen des Volkswillens (und äußere der sich auch so bescheiden wie im Urnengang) belästigt werden.

Samstag, 16. September 2017

Wählerei oder nicht (2)

Wer wählen geht, ist mitschuldig. Und darf sich hinterher nicht darüber beschweren, dass Merkel regiert und die Nazis pöbeln.

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Wer im Ernst glaubt, durch irgendeine Stimmabgabe die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern, ist bescheuerter, als man in diesen Zeiten sein darf.

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Manche verantwortungsvolle Bürger meinen, man müsse wählen gehen, um wenigstens durch Erhöhung der Wahlbeteiligung den Prozentanteil der Nazis zu senken. Nach derselben Logik müsste man möglichst viel fernsehen, damit die Scheiße nicht nur von Asis geguckt wird.

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Und noch ein Spoiler: Wählt, was Ihr wollt, hinterher regiert sowieso Merkel.
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Wählen, um die AfD zu verhindern? Bisher saß im Bundestag niemand von denen. Und, wie war die Politik so? Und das gesellschaftliche Klima? So zu tun, als wäre das entscheidende Thema in Deutschland (in Österreich z.B. ist das anders) der organisierte Rechtspopulismus und nicht die real existierende Politik von CDU/CSU und SPD, ist erstaunlich doof.




Donnerstag, 14. September 2017

Notiz zur Zeit (165)

Zweifellos sind die verwüstenden Stürme und Fluten in den USA Gottes Strafe für religiösen Fundamentalismus.

Montag, 11. September 2017

Glosse LIX

… bis unter die Zähne bewaffnet. Hm. Kann mir gar nicht vorstellen, dass dort viel Platz ist.

Notiz zur Zeit (164)

Kaum verlässt der amtierende Papst Rom, hat die lange Trockenheit ein Ende und es regnet in Strömen. Ein Zeichen?

Sonntag, 10. September 2017

Wählen gehen, um die Rechtpopulisten zu verhindern?

Ganz abstrakt beschrieben: All die Jahre haben die Parteien X und Y (und ein paar zu Koalitionen benötigte Kleinparteien, die meist einen Aspekt von X oder Y besonders verkörpern) die Politik des Landes bestimmt. Mal miteinander mal gegeneinander. Längst sind X und Y einander sehr ähnlich geworden. Ihre Politik ist immer nur einfallslose Fortsetzung des Bestehenden. Nun gibt es seit einiger Zeit die Partei Z. Diese ist rechtspopulistisch, fremdenfeindlich, autoritär. Ihr Erfolg gründet auf den Ängsten, die sie schürt, und auf der Unzufriedenheit mit Missständen, die zum Teil tatsächlich bestehen. Z ist zweifellos widerlich und, wenn sie an die Macht käme, gefährlich.
Soll man nun, damit  Z im Parlament nicht allzu sehr vertreten ist — und die Z-Wähler sind sehr zum Wählen entschlossen —, X und Y wählen (und deren Derivate)?
Vernünftigerweise nicht. Denn X und Y sind für Verhältnisse verantwortlich, die Z möglich gemacht haben. 
Manche sagen, je höher der Stimmenanteil von  Z sei (nicht die Stimmenzahl! mit der haben sie sich abgefunden), desto eher werde, was Z sage und fordere, normalisiert. Aber liegt das nicht im Wesen der repräsentativen Demokratie? Kann man zugleich ein politisches System bejahen und dessen ganz normale Effekte nicht wollen?
Manche sagen, je höher der Stimmenanteil von  Z sei, desto mehr einschlägige Straftaten würden begangen. Die Frage ist, ob hier tatsächlich Wirkung und Ursache vorliegen oder ob nicht beides, hoher Stimmenanteil, hohe Zahl von Straftaten, Symptome zu Grunde liegender gesellschaftlicher Übelstände.
Was Z behauptet, ist größtenteils falsch. Was Z fordert, ist durchwegs verfehlt. Wenn aber Z die falsche Lösung für wirkliche Probleme ist, so sind X und Y das auf ihre Weise ebenso, denn sie haben diese Probleme ja verursacht oder zumindest nicht gelöst. Das werden sie realistisch gesehen auch in Zukunft nicht.
Wer X und Y (und deren Assistenzparteien) wählt, um kurzfristig Z ein bisschen zurückzudrängen, mag taktisch erfolgreich sein, strategisch schießt er sich ins Knie. Denn er doktert an einem Symptom herum, während ihn die Krankheit umzubringen droht.

Freitag, 8. September 2017

Notiz zur Zeit (163)

Ich glaube den Umfragen nicht, wonach die größten Ängste der Deutschen Terrorismus, Einwanderung, Islam usw. betreffen. Die größte Angst der Deutschen ist offensichtlich ein Fahrverbot für Diesel-Pkw.

Donnerstag, 7. September 2017

Wählerei oder nicht

Zugegeben: Wen und was die Leute wählen, finde ich oft noch scheußlicher, als dass sie überhaupt wählen.

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Spoiler-Alarm! Merkel bleibt auch nach der Bundestagswahl Kanzlerin und Vizekanzler wird irgendein Depp.

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Nicht versetzt den demokratischen Spießer so in Wut wie die Aufforderung zum Nichtwählen. Das hält er für „dumm“ (er versteht es nicht), „gefährlich“ (er fühlt sich davon bedroht) und „verantwortungslos“ (er ahnt, dass damit die Systemfrage gestellt wird). Aber ob es nicht doch dümmer, gefährlicher und verantwortungsloser ist, wenn nach dem heiligen Akt des Wählens Gestalten wie Trump, Merkel, Orbán usw. usf. regieren? Nur wer mit dem Status quo im Großen und Ganzen zufrieden ist, kann die real existierenden Demokratie für das politische Optimum halten.

Notiz zur Zeit (162)

Was für Herausforderungen! Nachdem die Leute in den USA heuer schon den Ausdruck „Antifa“ lernen mussten, werden sie sich womöglich auch noch mit dem Satz „Kein Mensch ist illegal“ konfrontieren müssen.

Mittwoch, 6. September 2017

Glosse LVIII

Er sitzt im Wohnzimmer seiner großen Altbauwohnung in der Marxvorstadt in München (…). (Die Zeit) Ich kenn mich in München nicht so gut aus. Liegt die Marxvorstadt neben der Engelsvorstadt?

Das demokratische Privileg des Stimmrechts

Die meisten Menschen auf der Welt sind von demokratischer Teilhabe ausgeschlossen. Sei es, weil sie in den „falschen“ Ländern leben, teils weil sie in den richtigen Ländern mit falscher Staatsbürgerschaft leben. Soll also, wer das seltene und kostbare Privileg demokratischer Rechte hat, dieses nicht unbedingt nutzen? Oder soll er vielmehr begreifen, dass dasselbe System, das ihn privilegiert, so vieler andere ausschließt? Wäre ja schön, wenn die, die wählen können, so wählten, dass die Ausgeschlossenen es nicht bleiben müssen. Wenn aber Demokratie bedeutet, dass hinterher Trump, Merkel oder Watschengesicht regieren, muss die Sache doch einen Haken haben, oder?
Die Dankbarkeit des Stimmviehs für das Geschenk der Obrigkeit, alle vier, fünf Jahre einmal muhen zu dürfen, ist deprimierend.

Glosse LVII

Ich staune immer wieder darüber, dass in Deutschland von Länder die Rede ist, von denen man anderswo noch nichts gehört hat, zum Beispiel Schina, Khile und Müanmar.