Montag, 6. November 2017

Inmitten von Gut und Böse

In einer Welt lebend, in der Menschen es sich seit jeher zur Gewohnheit gemacht haben, Menschen zu quälen und zu töten, zu entrechten und zu verdummen, zu entwürdigen und auszubeuten; in einer Welt, in der auch das, was man „natürliche Ressourcen“ nennt verschwenderisch ausgebeutet und sinnlos zerstört wird; in einer Welt, in der Schönes in den Schmutz gezogen, Weises verlacht, Anständiges ignoriert oder korrumpiert wird, während Hohles, Dumpfes, Närrisches, Anstößiges begierig herumgezeigt und inbrünstig verherrlicht wird; mit anderen Worten: in einer Welt lebend, in der das Gute schwach, aber notwendig, das Böse und Unnötige hingegen stark zu sein scheint, verstehe ich nicht, was (außerhalb fachphilosophischer Diskussionen über Nietzsche) die Rede von einem „Jenseits von Gut und Böse“ denn heißen soll.
Wie um alles in der Welt kann man als fühlendes und denkendes Wesen nicht die Partei des Guten ergreifen und das Böse verurteilen wollen? Mag sein, dass die Unterscheidung nicht immer gleich leicht ist. Aber Gewissen, Geschmack und Anstand dürften, wo sie nicht gänzlich abtrainiert sind, als Richtschnüre auch dem genügen, den komplizierte ethische Diskussionen langweilen oder überfordern. Dass man sich mit den Übeln dieser Welt nicht abfinden soll, liegt in der Natur der Sache. Ebenso, dass man nicht so tun darf, als sei Böses gut oder weder gut noch böse.
Es stimmt zwar, dass falsche oder falsch angewendete Moral Schaden anzurichten vermag; aber Mangel an Moral und explizite Moralverweigerung können das auch. Zu viel Willen, das Richtige zu tun, gibt es also schwerlich, offensichtlich eher das Gegenteil.
Wie man angesichts des Übels in der Welt nicht aus ganzem Herzen dagegen sein kann, verstehe ich nicht. Und ich verstehe übrigens auch nicht, wie man, angesichts dieses ungeheuren Übels und seiner wenigstens scheinbaren Übermacht, die doch so schmerzlich erfahrbar ist, nicht an eine völlig gute „höhere Macht“ glauben will, die das letzte Wort haben muss, nicht nur, weil daran Bedarf und weil Verlangen danach besteht, sondern aus Einsicht in die unbedingte Notwendigkeit. Freilich, Glaube lässt sich nicht aus Vernunftgründen ableiten, sonder muss der persönlichen Erfahrung des Guten stammen, das es ja eben auch gibt. Nur dass es auf Erden, also im sogenannten „Diesseits“, nicht überall sehr beliebt zu sein scheint.
Wie aber an all der Dummheit und Niedertracht der Mitmenschen nicht verzweifeln, ohne auf das Dasein des vollkommen Guten zu vertrauen? Wie die eigene Endlichkeit und vor allem die der anderen ertragen, ohne darauf zu hoffen, dass am Ende alles gut wird? Und wie soll alles gut werden ohne Gott?

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